Spannbeton „lebt“ von seinen Eigenspannungen. Was Eigenspannungen sind, welche große Bedeutung sie für Bauteile haben, und wie sie erzeugt werden, das soll in diesem und in weiteren Beiträgen beschrieben werden. Das Thema „Spannbeton“ ist sehr gut zum Einstieg in das Sujet „Eigenspannung“ geeignet. Dann steigen wir mal ein:
Beton ist ein außerordentlich vielseitiger Werkstoff mit zahlreichen Stärken. Dazu gehört u.a., dass Beton sehr hohe Druckkräfte ertragen kann – das nutzen wir zum Beispiel beim Bau hoher Gebäude. Wo Stärken sind, gibt es natürlich auch Schwächen. Dazu gehört die sehr geringe Zugfestigkeit des Betons. Schon relativ geringe Zugkräfte führen dazu, dass Beton reißt. Nun gibt es aber zahlreiche Anwendungsfälle im Baubereich, wo Zugkräfte ertragen werden müssen, wo man aber dennoch gern den sehr flexiblen Baustoff Beton einsetzen möchte. Geht das? Ja, mit Spannbeton.
Dazu brauchen wir einige Stangen aus hochfestem Stahl, in unserem Bild drei an der Zahl. Hochfest bedeutet, dass die Zugfestigkeit (Kraft, bei der die Stange reißt) und die Streckgrenze (Kraft, bei der sich die Stange erstmals makroskopisch sichtbar verformt) außerordentlich hoch sind.
Diese Zugfestigkeit und Streckgrenze gestatten uns, die Stahlstangen mit einer Zugspannung (← →) sehr stark vorzuspannen, so wie es im nächsten Bild zu sehen ist. Dabei dehnen wir die Stangen nur elastisch. Das bedeutet, dass sie ihre Ursprungslänge wieder annehmen würden, wenn die Zugkraft verschwindet.
Wir halten die Stahlstangen, die sich z.B. in einer Form befinden, mit einer Spannvorrichtung unter dieser Zugspannung und füllen die Form nun mit Beton. Der Beton härtet aus und geht mit den Stahlstangen eine kraftschlüssige und formschlüssige Verbindung ein. Kraftschlüssig, weil Reibungskräfte Bewegungen zwischen Beton und Stahloberfläche verhindern, formschlüssig, weil die Stahlstangen meist gerippt sind und ihr Oberflächenprofil eine Bewegung zwischen Beton und Stahlstange verhindert. Ist der Beton ausgehärtet, dann stehen die Stahlstangen natürlich immer noch unter Zugspannungen wogegen der Beton mehr oder weniger spannungsfrei ist – das zeigt das nachfolgende Bild.
Jetzt werden die Zugkräfte „abgeschaltet“ – z.B. indem das ausgehärtete Betonbauteil aus der Spannvorrichtung genommen wird. Sobald die Zugkräfte nicht mehr an den Stahlstangen angreifen, wollen sich diese natürlich zusammenziehen. Das tun sie dann auch, und zwar gegen den Widerstand des Betons, der eigentlich keine Veranlassung sieht, sich auch zusammenzuziehen. Er wehrt sich also tapfer, wird aber dennoch etwas zusammengepresst.
Wegen der „Gegenwehr“ des Betons können sich die Stahlstangen nicht vollständig entspannen. Das Ergebnis ist, dass die Stahlstangen immer noch unter Zugspannungen stehen, welche bei Weitem nicht mehr so hoch sind wie im vorgespannten Zustand. Der Beton aber gerät unter Druckspannung (→ ←), weil er ja gezwungen wird, sich etwas zusammenzuziehen. Das verdeutlicht das nächste Bild.
Wir haben nun ein Betonbauteil, auf das keine äußeren Kräfte (oder Spannungen) mehr wirken, in dessen Inneren es aber Spannungen gibt: Zugspannungen in den Stahlstangen und Druckspannungen im Beton. Solche Spannungen, die ohne das Wirken äußerer Kräfte vorliegen, nennen wir Eigenspannungen. Eigenspannungen können die Funktionsfähigkeit eines Bauteils sehr stark zum Guten oder zum Schlechten beeinflussen. In unserem Fall tun sie es natürlich zum Guten. Warum?
Dazu betrachten wir das letzte Bild. Wenn jetzt auf das Betonbauteil eine äußere Zugspannung (<= =>) wirkt, dann überlagern sich äußere Spannung und die im Inneren wirkenden Eigenspannungen. Das Ergebnis ist, dass die Stahlstangen wieder unter starke Zugspannungen geraten, was auf den Werkstoff Stahl aber keine Auswirkung hat. Im Beton überlagern sich äußere Zugspannung und innere Druckeigenspannung und solange das Ergebnis der Überlagerung keine zu hohe „Gesamt-Zugspannung“ bewirkt, kann der Beton auch erhebliche äußere Zugkräfte ertragen, ohne dass er reißt.
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