31. Oktober 2011

Wie funktioniert eigentlich … Spektrometrie?

Die Spektrometrie wird in zahlreichen Gebieten der Physik, Chemie und Technik eingesetzt – von der Analyse der inneren Struktur von Atomkernen bis hin zum Studium der Abläufe chemischer Reaktionen. Gegenstand dieses Beitrages sind spektrometrische Verfahren für die Analyse der chemischen Zusammensetzung von Werkstoffen – speziell die optische Emissionsspektrometrie (OES) und die Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA).

Um zu verstehen, wie Spektrometrie funktioniert, machen wir zunächst einen Abstecher in die Welt der Atome. Wir betrachten ein einfaches Modell, in dem die Elektronen den Atomkern umkreisen. Die Elektronen bewegen sich dabei nicht „irgendwo“, sondern auf ganz bestimmten Bahnen (Schalen). Im Bild ist ein Magnesiumatom dargestellt. Zwei seiner 12 Elektronen bewegen sich auf der innersten Schale. Die nächste Schale besteht aus 2 Unterschalen mit 2 bzw. 6 Elektronen. Die dritte Schale besteht aus 3 Unterschalen, die Platz für 2, 6 bzw. 10 Elektronen bieten – beim Magnesium ist nur die erste Unterschale mit 2 Elektronen besetzt.

Die Anzahl der Elektronen pro Schale kann unterschritten werden (dazu kommen wir noch), darf aber niemals überschritten werden. Die skizzierte Abfolge der Elektronenschalen (2, 2+6, 2+6+10, …) ist für jedes chemische Element identisch. Auch die Elektronenhülle des Wasserstoffatoms verfügt über all die genannten Elektronenschalen, sein einziges Elektron hält sich aber „üblicherweise“ auf der innersten Schale auf.

Die Elektronenschalen der verschiedenen chemischen Elemente unterscheiden sich nur hinsichtlich ihrer Besetzung (je nach Anzahl der Elektronen des Elementes) und hinsichtlich des Schalendurchmessers und damit hinsichtlich der Energie, die jedes Elektron auf seiner Schale hat. Elektronen haben auf ihren Schalen „unverwechselbare“ Energien, die charakteristisch für das konkrete chemische Element sind.

Je weiter weg vom Kern die Bahn eines Elektrons verläuft, desto mehr Energie hat das Elektron. Elektronen würden sich aber am „liebsten“ auf den innersten Schalen aufhalten, denn sie streben einen Zustand minimaler Energie an. Die Plätze pro Schale sind aber streng limitiert, und wenn die inneren Plätze besetzt sind, dann müssen die Elektronen mit den äußeren Schalen „vorlieb nehmen“. Nun haben wir alle „atomphysikalischen Grundlagen“ für die Spektralanalyse zusammen, schreiten zur praktischen Umsetzung und betrachten dabei das nachfolgende Bild:

Teilschritt 1 der Spektrometrie ist die Anregung. Wir führen der zu untersuchenden Probe Energie zu (Bild links) mit dem Ziel, Elektronen aus ihren Schalen herauszuschlagen und auf weiter außen gelegene Schalen zu befördern (Bild Mitte). Die Energiezufuhr erfolgt dabei ganz unterschiedlich – z.B:

  • bei der Anregung mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP) durch Magnetfelder,
  • bei der OES mit Funken oder Bogenanregung durch elektrischen Strom,
  • bei der RFA durch energiereiche Röntgenstrahlung,
  • bei der Flammenspektrometrie durch Feuer.

Was ist das Ziel der Anregung? Wir erinnern uns, dass Elektronen sich am „liebsten“ auf den innersten Schalen aufhalten. Wird auf einer inneren Schale ein Platz frei, dann wird dieser umgehend durch ein Elektron besetzt, das sich weiter außen befindet. Auf der äußeren Schale hat das Elektron jedoch mehr Energie als auf der inneren Schale. Diese Energie muss das Elektron abgeben, wenn es nach Innen springen will. Das geschieht durch Emission von Strahlung – dies ist Teilschritt 2 der Spektrometrie (Bild rechts).

Die abgegebene Strahlung entspricht der Energiedifferenz zwischen der Schale, von der das Elektron springt und der Schale, auf die das Elektron springt. Da aber die Energien der beiden Schalen charakteristisch für das jeweilige chemische Element sind, ist es auch deren Energiedifferenz. In anderen Worten: Die freigesetzte Strahlung kennzeichnet das jeweils angeregte chemische Element absolut eindeutig wie ein „elektromagnetischer Fingerabdruck“.

Teilschritt 3 der Spektrometrie ist die Zerlegung der von den Elektronen ausgesandten Strahlung für die nachfolgende Spektralanalyse. Nach der Anregung trifft in der Messeinheit des Spektrometers eine große Menge Strahlung ein (von allen möglichen Elektronenübergängen aller möglichen chemischen Elemente der Probe) – die muss aber zerlegt werden, um sie anschließend nach Ihrer Energie (und damit nach dem jeweiligen chemischen Element) „sortieren“ zu können.

Das folgende Bild zeigt die Strahlung, die bei der Anregung von Helium im sichtbaren Bereich entsteht. Das Licht des Heliums wurde durch Beugung an einem Gitter in seine einzelnen Spektrallinien zerlegt. Der obere Teil des Bildes stellt die Spektrallinien selbst dar, der untere Teil die Analyse dieser Spektrallinien nach ihrer Intensität und Wellenlänge (kennt man die Wellenlänge, dann kennt man automatisch auch die Energie).

Wenn ein modernes Spektrometer z.B. eine Stahlprobe mit vielen chemischen Elementen analysiert, dann entstehen unzählige Spektrallinien (die des Eisens, des Kohlenstoffs, des Siliziums, …), und ein modernes Hochleistungsspektrometer „sieht“ nach der Zerlegung der Strahlung Tausende von Spektrallinien.

Der Teilschritt 4 besteht aus der Analyse der Energie und der Intensität der Spektrallinien. Die Energien der Spektrallinien geben Auskunft über die chemischen Elemente, aus denen die Probe zusammengesetzt ist. Die Intensitäten der Spektrallinien geben Auskunft über die Konzentration der jeweiligen chemischen Elemente in der Probe: Viele gleichartige Atome (hohe Konzentration) führen zu vielen gleichartigen Sprüngen, diese produzieren viele identische Strahlungsteilchen, und Intensität ist nichts anderes als die Anzahl der Strahlungsteilchen.

Nun folgt der Teilschritt 5. Und der hat damit zu tun, dass das, was das Spektrometer misst (nämlich Energien und Intensitäten) nicht das ist, was den Anwender interessiert (nämlich die Namen der chemischen Elemente und deren Konzentrationen in der Probe). Um den Zusammenhang zwischen Energie und chemischem Element einerseits und Intensität und Konzentration andererseits herzustellen, sind in der Datenbank des Spektrometers Kalibrierkurven (Programme) für die Zuordnung hinterlegt:

  • Energie -> chemisches Element (z.B. mit Hilfe der Ordnungszahl) und
  • Intensität -> Konzentration.

Die Messeinheit des Spektrometers leitet also die gemessenen Energien und Intensitäten an den Computer des Spektrometers weiter, der „schaut“ in seiner Kalibrierkurven-Datenbank nach und kann so jeder Energie ein bestimmtes chemisches Element zuordnen und jeder Intensität eine Konzentration. Je präziser die Kalibrierkurven sind, desto präziser ist auch die auf dem Monitor des Spektrometers angezeigte chemische Analyse.

Spektrometrie ist wie kollektives bungee jumping für Elektronen. Wir treiben unzählige Elektronen mittels Energie „nach oben“ und sehen ihnen dann dabei zu, wie sie wieder nach unten springen. Art und Anzahl der Sprünge verraten uns, welche chemischen Elemente in welcher Menge in der Probe enthalten sind.

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