28. Juni 2023

Werkstoffprüfer/in: Eine Berufsausbildung/Umschulung mit vielen Facetten und Potenzial

Informatives und Organisatorisches zum spannendsten Beruf in der Metallindustrie 🔬

Prüfung einer Übungs-Schweißnaht mit der Ultraschallprüfung
Prüfung einer Übungs-Schweißnaht mit der Ultraschallprüfung

Werkstoffprüfung ist ein wichtiger Bestandteil der Industrieproduktion und trägt entscheidend zur Qualitätssicherung bei. Obwohl die Tätigkeit oft nicht im Vordergrund steht, spielen Werkstoffprüfer/innen eine zentrale Rolle in der Überprüfung und Sicherstellung der Materialeigenschaften, die während aller Lebensabschnitte eines Bauteils wichtig sind. Sie arbeiten oft hinter den Kulissen – sind aber für den Erfolg jedes Unternehmens unerlässlich.

Die Qualitätssicherung hat viele Bereiche, und beim Thema „Prüfen“ denkt man oft an die Kontrolle z.B. von Maßen oder Stückzahl, oder an die Funktion einer Maschine. Die Werkstoffprüfung beschäftigt sich (wie der Name schon sagt) mit dem Werkstoff, und beginnt daher immer mit einer vermeintlichen einfachen Frage: Was kann mein Material? „Vermeintlich“ deshalb, weil sich hinter dieser Frage viel versteckt:

  • Ist es der richtige Werkstoff?
  • Ist das Material fehlerfrei?
  • Wie sieht die „Lebensgeschichte“ des Werkstoffs aus?
  • Wie belastbar ist das Material?

Ausbildungsinhalte

Schulungsmaterial aus der Umschulung zum/zur Werkstoffprüfer/in
Schulungsmaterial aus der Umschulung zum/zur Werkstoffprüfer/in

Die Ausbildung zur/zum Werkstoffprüfer/in erstreckt sich über drei bis dreieinhalb Jahre und umfasst ein breites Spektrum an Fachwissen. Die Ausbildungsinhalte reichen von Metalltechnik und Werkstoffprüfung über Qualitätssicherung bis hin zu naturwissenschaftlichen Grundlagen.

Dieses Pensum ist beachtlich – und es geht noch straffer: Umschüler/innen in der Werkstoffprüfung lernen die gleichen Ausbildungsinhalte (mit der gleichen Abschlussprüfung) statt in 42 in nur 28 Monaten!

Während der Ausbildung wird erlernt, verschiedene Werkstoffe zu prüfen und deren Eigenschaften zu analysieren. Die Anwendung verschiedener Prüfverfahren, deren Vor- und Nachbereitung, die Arbeit mit Normen sind Alltag für Werkstoffprüfer/innen.

Beispiele für Prüfverfahren und deren Einsatzgebiet:

  • Zugversuch: Wie verhält sich ein Bauteil unter mechanischer Spannung? Wann verformt es sich (dauerhaft), wann kommt es zum Bruch?
  • Metallographie: Welche Lebensgeschichte hat ein Bauteil? Wie wurde das Material bei der Herstellung, der Wärmebehandlung oder im Einsatz im Inneren beeinflußt?
  • Härteprüfung: Wie widerstandsfähig ist ein Material gegen äußere Einflüsse? Wie schnell und wie stark verschleißt das Material?

Die oben genannten Verfahren beschädigen bzw. zerstören das zu prüfende Bauteil, und gehören daher zur zerstörenden Werkstoffprüfung (ZP). Nicht immer ist das eine Option, z.B. weil mit dem zu prüfenden Teil weiter gearbeitet oder es nach Abschluss der Arbeiten verkauft werden soll.

Der zweite große Bereich ist daher die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung (ZfP). Beispiele für die ZfP:

  • Ultraschallprüfung: Sind im Inneren eines Bauteils Fehlstellen, Risse, Hohlräume, welche bei der weiteren Bearbeitung zu Schäden führen?
  • Magnetpulverprüfung: Können an der Oberfläche eines Materials feinste Risse gefunden werden?
  • Wirbelstromprüfung: Ist ein Material evtl. korrodiert? Um welches Material handelt es sich (Sortierprüfung mittels Leitfähigkeits-Messung)

In Summe sind gem. IHK-Rahmenplan (s.a. https://www.bibb.de/dienst/berufesuche/de/index_berufesuche.php/profile/apprenticeship/090512) über ein Dutzend Prüfverfahren Teil der Ausbildung – jedes mit eigener Prüftechnik, Normen und Besonderheiten.

Hintergrundwissen

Eine Probe im Stirnabschreck- bzw. Jominy-Versuch
Eine Probe im Stirnabschreck- bzw. Jominy-Versuch

Das Prüfen ist die eine Seite, und der sichtbarste Teil der Aubildung. Genauso wichtig ist aber das Verständnis für die Abläufe im Material.

Werkstoffprüfer/innen stehen einen Schritt hinter der Produktion: Sie prüfen, was zuvor gegossen, gewalzt, geschmiedet, geschweißt oder beschichtet wurde. Zum Verständnis der Prüfung müssen aber auch diese Prozesse verstanden werden: Wie verteilen sich Fehlstellen beim Walzen? Was passiert in der Wärmeeinflußzone beim Schweißen? Wie verhält sich ein Material beim Erhitzen und erneuten Abkühlen?

Neben den „handwerklichen“ Grundlagen wie Mathematik und Physik ist daher der Aufbau und die Vertiefung dieses Wissens ein großer Baustein der Ausbildung – aber später auch ein wichtiger Aspekt der Arbeit: Werkstoffprüfer/innen sind die Fachleute für das Material im Betrieb.

Perspektive im Beruf

Rissanzeige an einer Schweißnaht, sichtbar gemacht mit der Eindringprüfung (PT)
Rissanzeige an einer Schweißnaht, sichtbar gemacht mit der Eindringprüfung (PT)

28 oder 42 Monate Dauer, viele Prüfverfahren, viel Theorie und noch mehr Praxis: Eine Umschulung bzw. Ausbildung in der Werkstoffprüfung ist eine beachtliche Leistung. Doch die Mühe lohnt sich: Denn die Perspektiven sind so gut wie nie. Die europäische und vor allem die deutsche Industrie lebt von Qualität, die Prüfung wird daher immer eine wesentliche Rolle spielen.

Dazu kommt die demographische Entwicklung hierzulande: Immer mehr Spezialisten gehen in den Ruhestand, die geburtenstarken Jahrgänge gehen dem Arbeitsmarkt verloren. Viele Betriebe finden daher kaum noch Auszubildende – auch, weil viele Schülerinnen und Schüler sich für das Studium und gegen die Ausbildung entscheiden.

Besten Chancen also für Absolventen, Quereinsteigerinnen und alle, die in der Werkstoffprüfung Fuß fassen. Übrigens auch beim Gehalt: Zum Stand 2023 liegen das Einstiegsgehalt für ausgebildete Werkstoffprüfer/innen bei ca. 3.000 EUR brutto, der Durchschnittsverdienst mit Berufserfahrung liegt bei 3.800 EUR (Quelle: https://web.arbeitsagentur.de/entgeltatlas/beruf/6366).

Der Beruf allein bietet also schon eine sichere Perspektive bis zur Rente. Wer aber mehr machen möchte kann auch das tun: Eine Weiterbildung zum/zur Techniker/in, ZfP-Scheine in der Stufe 3 und Arbeit als Prüfaufsicht, das Erlernen von Sonderprüfverfahren wie CT oder REM-Analysen. Alles ist möglich.

Auf der Suche nach etwas Neuem? Dann werden Sie doch Werkstoffprüfer/in! Es lohnt sich.

Teilen:
Tags:
Zur Werkzeugleiste springen