Wie funktioniert eigentlich MagnetpulverprĂŒfung?
Die MagnetpulverprĂŒfung ist wie alle zerstörungsfreien PrĂŒfverfahren die praktische Anwendung eines physikalischen Effektes bzw. einer physikalischen Eigenschaft. In unserem Fall heiĂt die physikalische Eigenschaft PermeabilitĂ€t. Das Wort PermeabilitĂ€t bedeutet DurchlĂ€ssigkeit â und zwar die DurchlĂ€ssigkeit eines Werkstoffes fĂŒr magnetische Feldlinien.
Werkstoffe reagieren unterschiedlich auf Magnetfelder. Im folgenden Bild befinden sich Bauteile (WĂŒrfel) in einem Magnetfeld H. Dadurch wird im Bauteil ein Magnetfeld B (die magnetische Flussdichte) erzeugt. Die Physik des Magnetismus ist recht kompliziert, aber vereinfacht kann man sich die PermeabilitĂ€t als das VerhĂ€ltnis der Feldlinienanzahl im Inneren des Bauteils (B) zur Anzahl der Ă€uĂeren Feldlinien (H) vorstellen:
- Stoffe, die weniger Feldlinien aufnehmen, als auĂen vorhanden (Bild links), nennen wir Diamagnete. Diamagnete, wie z.B. Kupfer, haben eine sehr kleine PermeabilitĂ€t.
- Stoffe, die etwas mehr Feldlinien aufnehmen, als auĂen vorhanden (Bild Mitte), nennen wir Paramagnete. Paramagnete, wie z.B. Aluminium oder Luft, haben ebenfalls eine sehr kleine PermeabilitĂ€t.
- Stoffe, die sehr viel mehr Feldlinien aufnehmen, als auĂen vorhanden (Bild rechts), nennen wir Ferromagnete. Ferromagnete, wie z.B. Eisen oder Nickel, haben eine sehr groĂe PermeabilitĂ€t.
In Ferromagneten fĂŒhrt die hohe PermeabilitĂ€t dazu, dass Ă€uĂere Magnetfelder im Werkstoff extrem verstĂ€rkt werden. Ferromagnetische Werkstoffe âsaugenâ Feldlinien geradezu auf, wie ein trockener Schwamm das Wasser. Das nutzen wir bei der MagnetpulverprĂŒfung ferromagnetischer Werkstoffe. Die MagnetpulverprĂŒfung wird mitunter auch als magnetischer Lecktest bezeichnet, und in der Tat hat sie einiges gemeinsam z.B. mit der ĂberprĂŒfung der Dichtheit eines Fahrradschlauches.
Das folgende Bild zeigt ein ferromagnetisches Bauteil mit einem Riss â den wollen wir finden. Um ein Loch im Fahrradschlauch zu finden, pumpen wir den Schlauch mit Luft auf. Um den Riss im Bauteil zu finden, âpumpenâ wir das ferromagnetische Bauteil mit Feldlinien auf â wir magnetisieren es. Dabei erzeugen wir im Innern des Bauteils zahlreiche Feldlinien, die das Bauteil ausfĂŒllen. Im Bereich des Risses gibt es aber ein Problem. Ein Riss ist nicht mit einem ferromagnetischen Material âgefĂŒlltâ, sondern z.B. mit Luft.
Luft aber ist paramagnetisch, und die vielen Feldlinien dĂŒrfen nicht einfach den Riss passieren, denn Luft kann nur wenige Feldlinien aufnehmen. Einige Feldlinien können, wie im Bild skizziert, unter den Riss âausweichenâ. Die ĂŒberwiegende Zahl der Feldlinien aber muss das Bauteil im Bereich des Risses verlassen und kann erst hinter dem Riss wieder ins Bauteil âeintauchenâ. Die Feldlinien, die das Bauteil verlassen, nennen wir den magnetischen Streufluss. Der Streufluss befindet sich da, wo sich der Riss befindet, und er ist vergleichbar mit der Luft, die aus einem Loch im Fahrradschlauch entweicht.
Wie wir den Streufluss S nachweisen, zeigt das nĂ€chste Bild. Wir können zum einen mit einer Sonde (im Bild links eine Spule) ĂŒber die BauteiloberflĂ€che fahren. Bewegt sich die Spule durch das Feld des Streuflusses, dann wird in der Spule eine Spannung induziert, die mit einem geeigneten MessgerĂ€t nachgewiesen werden kann. Diese PrĂŒftechnik nennt man Streuflusstechnik.
Wir können aber auch die Magnetpulvertechnik anwenden. Dazu tragen wir sehr kleine, ferromagnetische Teilchen (Magnetpulver) auf die BauteiloberflĂ€che auf. Das geschieht ĂŒblicherweise mit einer TrĂ€gerflĂŒssigkeit, um die Beweglichkeit des Magnetpulvers auf der BauteilflĂ€che zu erhöhen. Ist ein Riss vorhanden, so lagern sich die Magnetpulverteilchen lĂ€ngs des Risses an. Warum tun sie das?
Dort, wo der magnetische Streufluss das Bauteil verlĂ€sst, bildet sich ein Magnetpol, und dort wo der Streufluss wieder ins Bauteil eintritt, bildet sich der magnetische Gegenpol. Die Magnetpulverteilchen werden also von den Magnetpolen im Bereich des Risses angezogen, eingefangen und festgehalten. Und sind sie einmal in Position, so wirken diese ferromagnetischen Teilchen fĂŒr die Feldlinien des Streuflusses wie BrĂŒcken, ĂŒber die die Feldlinien auf kĂŒrzestem Wege wieder ins Bauteil gelangen (Bild rechts).
Jetzt mĂŒssen wir noch dafĂŒr sorgen, dass wir die winzigen Magnetpulverteilchen schnell und zuverlĂ€ssig auf der BauteiloberflĂ€che entdecken. Dazu werden die Teilchen mit einer HĂŒlle aus einem Farbstoff bzw. einem fluoreszierenden Stoff versehen. Insbesondere die PrĂŒfung mit fluoreszierendem Pulver und einem Ultraviolett-Strahler sorgt fĂŒr sehr hohe PrĂŒfempfindlichkeit.
Im Falle des beschĂ€digten Fahrradschlauchs weisen wir die entweichende Luft mit einer Seifenlösung und die sich darin bildenden Blasen nach â wo die Blasen entstehen, da ist das Loch. PrĂŒfen wir ferromagnetische Bauteile, dann finden wir die âmagnetische Leckageâ mit Hilfe von Sonden oder Magnetpulver.
Ganz wichtig bei der MagnetpulverprĂŒfung ist die Magnetisierungsrichtung â also die Orientierung des inneren Magnetfeldes zum möglichen Riss. In den oben dargestellten Bildern ist das Magnetfeld senkrecht zum Riss orientiert. Im nĂ€chsten Bild betrachten wir ein Magnetfeld, das parallel zum Riss verlĂ€uft. Wir sehen, dass sich die Feldlinien in diesem Falle ganz einfach an die Geometrie anpassen und keinerlei Streufluss entsteht. Wenn aber kein Streufluss existiert, dann können wir den Riss auch nicht nachweisen.
Wir erkennen, dass es Orientierungen des Magnetfeldes zum Riss gibt, fĂŒr die der Riss nicht nachgewiesen werden kann. FĂŒr einen guten Nachweis mĂŒssen Riss und Magnetfeld nicht genau senkrecht zueinander orientiert sein â aber eine parallele Orientierung zueinander ist definitiv sehr schlecht fĂŒr die Risserkennung. Ăblicherweise wissen wir nicht, in welche Richtung die Risse orientiert sind â wir mĂŒssen bei der Magnetisierung von jeder beliebigen Rissorientierung ausgehen und entsprechend magnetisieren. Wie machen wir das? DafĂŒr gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Wir magnetisieren in zwei unterschiedliche Richtungen â z.B. zweimal 90° versetzt. So erfolgt ĂŒblicherweise die MagnetpulverprĂŒfung von SchweiĂnĂ€hten mit einem Handjoch.
- Wir erzeugen ein rotierendes Magnetfeld, das alle Richtungen ĂŒberstreicht. Das geschieht auf elektronischem Wege und wird kombinierte PrĂŒfung genannt.
- Wir können das Bauteil (und damit die möglichen Risse) durch ein konstantes Magnetfeld rotieren lassen. So funktioniert die Mindener Spule fĂŒr die MagnetpulverprĂŒfung von EisenbahnrĂ€dern.
MagnetpulverprĂŒfung bzw. StreuflussprĂŒfung anzuwenden bedeutet also, PermeabilitĂ€tsunterschiede zu finden. Die Magnetpulvertechnik und die magnetische Streuflusstechnik âkennenâ keine Risse. Sie reagieren auf den PermeabilitĂ€tsunterschied, den ein Riss hervorruft, denn das Bauteil ist ferromagnetisch, die Luft im Riss aber paramagnetisch. HĂ€tten wir eine âmagnetische FlĂŒssigkeitâ mit genau derselben PermeabilitĂ€t wie das Bauteil, und wĂŒrden wir mit dieser FlĂŒssigkeit den Riss fĂŒllen, so wĂŒrden Magnetpulvertechnik und Streuflusstechnik versagen.
Categories TrainingCenter, Zerstörungsfreie PrĂŒfung
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