26. Oktober 2012

Wie funktioniert eigentlich … Wärmebehandlung von Eisenbahnrädern?

Eisenbahnrädern gehören zu den am meisten belasteten Komponenten eines Schienenfahrzeuges. Sie tragen hohe Lasten. Sie führen das Fahrzeug durch Weichen und Kurven. Sie übertragen Brems- und Beschleunigungskräfte und die Temperaturen auf der Radoberfläche können dabei viele Hundert Grad Celsius erreichen.

Die verschiedenen Funktionsbereiche (Bild 1) des Rades, wie z.B. der Radkranz (1) mit der Verschleißreserve (2), der Spurkranz (3), das Blatt (4) und die Nabe (5) erfüllen dabei verschiedene Aufgaben und benötigen dafür ver-schiedene Werkstoffeigenschaften. Diese Werkstoffeigenschaften werden ganz wesentlich durch die Wärmebe-handlung der Räder bestimmt.

Bild 1

Die Wärmebehandlung beginnt mit der Erwärmung auf die sogenannte Austenitisierungstemperatur. Räder bestehen üblicherweise aus unlegierten bzw. niedriglegierten Kohlenstoffstählen, die man bei ca. 800 – 900°C austenitisiert. Bei diesen Temperaturen wandelt sich das Atomgitter des Eisens von einer kubisch-raumzentrierten Struktur (Ferrit) in eine kubisch-flächenzentrierte Struktur (Austenit) um, Karbide werden aufgelöst und der Kohlenstoff gleichmäßig im Werkstoff verteilt. Danach wird das rotglühende Rad aus dem Ofen entnommen und in eine Abkühlmaschine gelegt, um es gezielt abzukühlen. Bild 2 zeigt ein solches Rad in der Kühlvorrichtung kurz vor Beginn des eigentlichen Abkühlprozesses.

eisenbahnrad-waermebehandlung02

Das Rad beginnt nun, in der Abkühlmaschine zu rotieren und gleichzeitig wird der Radkranz gezielt mit Wasser oder/und Luft gekühlt (Bild 3), wobei die Kühlmengen, Kühlzeiten und Kühlmedien durch den Computer der Abkühlmaschine gesteuert werden. Mit dieser kontrollierten Abkühlung werden im Radkranz des Rades ganz gezielt mechanische Eigenschaften (u.a. Festigkeit, Zähigkeit) und ein optimales Gefüge eingestellt. Das Gefüge, das sich hinsichtlich des Verschleißes der Radlaufflächen als optimal herausgestellt hat, ist ein perlitisch-ferritisches Gefüge – ein Phasengemisch aus Eisen und Eisenkarbiden.

Wenn der Radkranz des Rades abgekühlt ist (Bild 4), wird das Rad aus der Abkühlmaschine genommen und die weitere Kühlung des Rades erfolgt an ruhender Luft. In dem Zustand, den das Bild 4 darstellt, steht der Radkranz des Rades unter Zugspannungen, denn er will sich zusammenziehen, wird aber durch das noch heiße Blatt und die heiße Nabe daran gehindert, welche selbst unter Druckspannungen stehen.

Das Kühlen des Rades und insbesondere des Radkranzes ist der wichtigste Prozessschritt bei der Wärmebehandlung von Eisenbahnrädern, bei dem innerhalb von wenigen Minuten die mechanischen Eigenschaften und das Gefüge erzeugt werden. Die „Kunst“ besteht dabei darin, so schnell abzukühlen, dass die geforderten Festigkeiten erreicht werden und gleichzeitig so langsam abzukühlen, dass unerwünschte Gefügebestandteile wie z.B. Martensit nicht entstehen.

Durch die Abkühlung an ruhender Luft sind schließlich auch das Blatt und die Nabe des Rades erkaltet (Bild 5). Die im Vergleich mit dem Radkranz langsamere Kühlung von Blatt und Nabe erzeugen in diesen Funktionsbereichen die spezifischen mechanischen Kennwerte, die dort benötigt werden. Außerdem führt diese Art der Abkühlung dazu, dass am Ende des Kühlprozesses Teile des Blattes unter Zugspannung stehen und der Radkranz dafür unter Druckspannungen. Das ist auch so gewollt, denn die Druckeigenspannungen im Radkranz sollen der Bildung von Rissen entgegenwirken, die durch den Rad-Schiene-Kontakt oder das Klotzbremsen der Räder entstehen könnten.

Schließlich werden die Räder noch einmal bei ca. 450-550°C angelassen, doch anders als zum Beispiel beim Vergüten, führt dieser Wärmebehandlungsschritte zu keinen Gefügeänderungen mehr, sondern soll lediglich innere Spannungen abbauen. Das Gefüge und damit alle Eigenschaften des Rades entstehen ausschließlich im Zuge der kontrollierten Abkühlung des Rades und insbesondere des Radkranzes.

Zu den Werkstoffkennwerten eines Eisenbahnrades, die durch die Wärmebehandlung beeinflusst werden und im Zuge vorgeschriebener Werkstoffprüfungen nachgewiesen werden müssen, gehören unter anderem: Festigkeit, Zähigkeit, Bruchzähigkeit, Ermüdungsfestigkeit, Mikrostruktur (Gefügebestandteile und Korngröße) und der Eigenspannungszustand des Rades.

Die Leistungsfähigkeit eines Eisenbahnrades ist nicht in einem besonderen Stahl begründet. Ganz im Gegenteil handelt es sich üblicherweise um „einfache“ unlegierte Kohlenstoffstähle – allerdings von hoher Reinheit (also Edelstähle). Es ist die Wärmebehandlung der Räder, die für optimale Werkstoffeigenschaften und damit für optimales Betriebsverhalten sorgt.

Werkstoff Service (www.rail-service.info) entwickelt gemeinsam mit seinen Partnern MSA Chemnitz (www.msa-chemnitz.de) und ITW Chemnitz (www.itw-chemnitz.de) im Rahmen eines öffentlich geförderten Forschungsprojektes Wärmebehandlungstechnologien für den Bereich Eisenbahn (Bild 6). Moderne Abkühlmaschinen sind heute CNC-Anlagen für Produktionskapazitäten von vielen 100.000 Rädern im Jahr, in denen Räder vollautomatisch mit höchster Qualität produziert werden.

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