Schadensanalyse an einem Küchenmesser
Exemplarischer Ablauf einer Schadensuntersuchung
1. Schadensbeschreibung
Gegenstand der Untersuchung ist ein handelsübliches Küchenmesser aus dem Pausenraum der W.S. Werkstoff Service GmbH. Unter tatkräftiger Mithilfe unseres Vertriebes brach beim Zerteilen eines gemeinen „Malus domestica“ die Klinge ab – glücklicherweise ohne Verletzungen des Mitarbeiters (Abb. 1, Abb. 2).
Ziel der Untersuchung ist die Ermittlung der Schadensursache sowie die Nennung von Abhilfemaßnahmen nach VDI Richtlinie 3822.
2. Zustand
Das über viele Jahre stumpfgespülte und – geschnittene Messer weist dem Alter angemessene Abnutzungserscheinungen auf (Abb. 3). Größere plastische Deformationen sowie äußere, größere Schädigungen durch Korrosion sind dank des rücksichtsvollen Umgangs der W.S. Mitarbeitenden mit dem geschätzten Schneidgegenstand nicht erkennbar.
Bei Betrachtung der Bruchfläche fallen jedoch Korrosionserscheinungen auf der der Schneide zugewandten Hälfte auf (Abb. 4).
Instrumentelle Untersuchungen
Chemische Analysen mittels optischer Emissionsspektrometrie
Ergebnisse der Vickers-Härteprüfung
Bemerkung:
Die Anforderungen an die chemische Zusammensetzung des Werkstoffes 1.4021 (X20Cr13) nach DIN EN 10088-2:2014-12 werden erfüllt. Die Härte entspricht üblichen Werten.
4. Fraktografie mittels Stereomikroskop
Vor der eigentlichen fraktografischen Untersuchung wurde die Bruchfläche mithilfe eines nicht-korrosiven Bruchflächenreinigers im Ultraschallbad gereinigt (Abb. 5 und Abb. 6).
Im gereinigten Zustand lassen sich drei farblich und morphologisch unterschiedliche Bruchzonen erkennen:
- Der verriebene bzw. verhämmerte Anteil entstand durch das wiederholte Aufeinanderschlagen der Bruchfläche. Es handelt sich eindeutig um den ältesten Bruchabschnitt.
- Der kristallin-korrodierte Bruchanteil muss bereits vor dem Bruchereignis geöffnet gewesen sein, da sonst keine Korrosionsspuren vorhanden wären.
- Der kristallin-glänzende Anteil ist der durch den Mitarbeiter frisch erzeugte Restgewaltbruch.
5. Fraktografie im Rasterelektronenmikroskop
Die Auswertung der Bruchzonen 1 und 2 unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM) zeigt ein überwiegend interkristallines Bruchbild mit aufgeweiteten („klaffenden“) Korngrenzen (Abb. 7). Bei höherer Vergrößerung sind lokale Wabenansammlung sichtbar, die auf eine lokale plastische Verformung schließen lassen.
Der zeitlich verzögerte Ablauf und die Bruchflächenmorphologie sprechen für einen korrosiven Bruchtyp.
6. Metallografische Schliffuntersuchung im Lichtmikroskop
Bei der Auswertung des Querschliffs M1 (Position: siehe kleiner Bildausschnitt rechts) fallen mehrere Lochkorrosionsangriffe auf (Abb. 9). In deren unmittelbarer Umgebung fallen massive Korrosionsangriffe der ehemaligen Austenitkorngrenzen auf (Abb. 10). Diese
Form der selektiven Korrosion wird auch „interkristalline“ Korrosion genannt. Eine Ätzung ergibt, dass es sich um ein angelassenes Härtungsgefüge (martensitisch) handelt.
7. Fazit
Im vorliegenden Fall des gebrochenen Küchenmessers aus dem Pausenraum der W.S. Werkstoff Service GmbH handelt es sich beim Schadensmechanismus um interkristalline Korrosion. Bei dieser Korrosionsform werden bestimmte Anteile des Gefüges stärker angegriffen als andere.
Bei nicht-rostenden Stählen wie dem verwendeten martensitischen Chromstahl X20Cr13 sind dabei insbesondere die ehemaligen Austenitkorngrenzen gefährdet. Verantwortlich dafür ist einerseits die geringere Korrosionsbeständigkeit der Korngrenzen als Störstelle im Vergleich zum Korninneren. Andererseits besteht bei kohlenstofflegierten Chromstählen stets die Gefahr der Bildung von sogenannten Chromkarbiden, welche an der Korngrenze Chrom aus der umliegenden Matrix binden. Dieser Chromanteil steht dann wiederum nicht für die Bildung der diesen Stahltyp schützenden Chromoxidschicht zur Verfügung.
Der in der chemischen Analyse ermittelte Chromgehalt von etwa 12,5% liegt dabei nur unwesentlich über dem für die Schichtbildung notwendigen Minimalgehalt von 10,5%. Zwar wurden keine systematischen, auffälligen Chromoxid-Ansammlungen gefunden, jedoch reichen bereits natürliche Seigerungen, die naturbedingte Schwäche der Korngrenzen und wenige Chromoxide aus, um einen interkristallinen Angriff zu initiieren.
8. Schadensursache / Abhilfemaßnahmen
Die Schadensursache liegt demnach in der Nicht-Beachtung des wohlgemeinten Grundsatzes, scharfe Küchenmesser nicht in der Spülmaschine zu reinigen. Die Bissprüfung des am Schadensereignis beteiligten „Malus domestica“ ergab keine unzulässig hohen Härtewerte dieses gesunden Pausensnacks.
Als Schadensabhilfemaßnahmen werden empfohlen: Ein gelber Spülschwamm, lauwarmes Wasser sowie ein weniger beherztes Zugreifen unserer Vertriebsabteilung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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