4. April 2023

Schadensanalyse an einem Küchenmesser

Exemplarischer Ablauf einer Schadensuntersuchung

1. Schadensbeschreibung

Gegenstand der Untersuchung ist ein handelsübliches Küchenmesser aus dem Pausenraum der W.S. Werkstoff Service GmbH. Unter tatkräftiger Mithilfe unseres Vertriebes brach beim Zerteilen eines gemeinen „Malus domestica“ die Klinge ab – glücklicherweise ohne Verletzungen des Mitarbeiters (Abb. 1, Abb. 2).

Abb. 1: Übersicht des schadensgegenständlichen Messers vor…
Abb. 1: Übersicht des schadensgegenständlichen Messers vor…
Abb. 2: … und nach dem Schadensereignis
Abb. 2: … und nach dem Schadensereignis

Ziel der Untersuchung ist die Ermittlung der Schadensursache sowie die Nennung von Abhilfemaßnahmen nach VDI Richtlinie 3822.

2. Zustand

Das über viele Jahre stumpfgespülte und – geschnittene Messer weist dem Alter angemessene Abnutzungserscheinungen auf (Abb. 3). Größere plastische Deformationen sowie äußere, größere Schädigungen durch Korrosion sind dank des rücksichtsvollen Umgangs der W.S. Mitarbeitenden mit dem geschätzten Schneidgegenstand nicht erkennbar.

Abb. 3: Detailansicht der Bruchstelle
Abb. 3: Detailansicht der Bruchstelle

Bei Betrachtung der Bruchfläche fallen jedoch Korrosionserscheinungen auf der der Schneide zugewandten Hälfte auf (Abb. 4).

Abb. 4: Korrosionserscheinungen auf Bruchfläche
Abb. 4: Korrosionserscheinungen auf Bruchfläche

Instrumentelle Untersuchungen

Chemische Analysen mittels optischer Emissionsspektrometrie

Chemische Analysen mittels optischer Emissionsspektrometrie

Ergebnisse der Vickers-Härteprüfung

Ergebnisse der Vickers-Härteprüfung
*) Angegeben ist die erweiterte Messunsicherheit. Der Wert der Messgröße liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% im zugeordneten Werteintervall.

Bemerkung:

Die Anforderungen an die chemische Zusammensetzung des Werkstoffes 1.4021 (X20Cr13) nach DIN EN 10088-2:2014-12 werden erfüllt. Die Härte entspricht üblichen Werten.

4. Fraktografie mittels Stereomikroskop

Vor der eigentlichen fraktografischen Untersuchung wurde die Bruchfläche mithilfe eines nicht-korrosiven Bruchflächenreinigers im Ultraschallbad gereinigt (Abb. 5 und Abb. 6).

Im gereinigten Zustand lassen sich drei farblich und morphologisch unterschiedliche Bruchzonen erkennen:

  1. Der verriebene bzw. verhämmerte Anteil entstand durch das wiederholte Aufeinanderschlagen der Bruchfläche. Es handelt sich eindeutig um den ältesten Bruchabschnitt.
  2. Der kristallin-korrodierte Bruchanteil muss bereits vor dem Bruchereignis geöffnet gewesen sein, da sonst keine Korrosionsspuren vorhanden wären.
  3. Der kristallin-glänzende Anteil ist der durch den Mitarbeiter frisch erzeugte Restgewaltbruch.
Abb. 5: Ungereinigte Bruchfläche unter dem Stereomikroskop
Abb. 5: Ungereinigte Bruchfläche unter dem Stereomikroskop
Abb. 6: Bruchfläche nach der Reinigung im Ultraschallbad; Pfeile beschreiben den Bruchverlauf
Abb. 6: Bruchfläche nach der Reinigung im Ultraschallbad; Pfeile beschreiben den Bruchverlauf

5. Fraktografie im Rasterelektronenmikroskop

Die Auswertung der Bruchzonen 1 und 2 unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM) zeigt ein überwiegend interkristallines Bruchbild mit aufgeweiteten („klaffenden“) Korngrenzen (Abb. 7). Bei höherer Vergrößerung sind lokale Wabenansammlung sichtbar, die auf eine lokale plastische Verformung schließen lassen.

Der zeitlich verzögerte Ablauf und die Bruchflächenmorphologie sprechen für einen korrosiven Bruchtyp.

Abb. 7: Interkristallines Bruchbild mit klaffenden Korngrenzen
Abb. 7: Interkristallines Bruchbild mit klaffenden Korngrenzen
Abb. 8: Waben markieren lokale plastische Verformung
Abb. 8: Waben markieren lokale plastische Verformung

6. Metallografische Schliffuntersuchung im Lichtmikroskop

Bei der Auswertung des Querschliffs M1 (Position: siehe kleiner Bildausschnitt rechts) fallen mehrere Lochkorrosionsangriffe auf (Abb. 9). In deren unmittelbarer Umgebung fallen massive Korrosionsangriffe der ehemaligen Austenitkorngrenzen auf (Abb. 10). Diese

Form der selektiven Korrosion wird auch „interkristalline“ Korrosion genannt. Eine Ätzung ergibt, dass es sich um ein angelassenes Härtungsgefüge (martensitisch) handelt.

Position Querschliff M1
Position Querschliff M1
Abb. 9: Schliff M1, Lochkorrosionsangriffe nahe der Bruchfläche
Abb. 9: Schliff M1, Lochkorrosionsangriffe nahe der Bruchfläche
Abb. 10: Selektiver Korrosionsangriff entlang der Korngrenzen
Abb. 10: Selektiver Korrosionsangriff entlang der Korngrenzen

7. Fazit

Im vorliegenden Fall des gebrochenen Küchenmessers aus dem Pausenraum der W.S. Werkstoff Service GmbH handelt  es  sich  beim  Schadensmechanismus  um interkristalline  Korrosion. Bei  dieser  Korrosionsform werden  bestimmte  Anteile  des  Gefüges  stärker angegriffen als andere.

Bei nicht-rostenden Stählen wie dem verwendeten martensitischen Chromstahl X20Cr13 sind  dabei  insbesondere  die  ehemaligen  Austenitkorngrenzen  gefährdet.  Verantwortlich  dafür  ist einerseits  die  geringere  Korrosionsbeständigkeit  der  Korngrenzen  als  Störstelle  im  Vergleich  zum Korninneren. Andererseits besteht bei kohlenstofflegierten Chromstählen stets die Gefahr der Bildung von sogenannten Chromkarbiden, welche an der Korngrenze Chrom aus der umliegenden Matrix binden. Dieser  Chromanteil  steht  dann  wiederum  nicht  für  die  Bildung  der  diesen  Stahltyp  schützenden Chromoxidschicht zur Verfügung.

Der in der chemischen Analyse ermittelte Chromgehalt von etwa 12,5% liegt dabei nur unwesentlich über dem für die Schichtbildung notwendigen Minimalgehalt von 10,5%. Zwar wurden keine systematischen, auffälligen Chromoxid-Ansammlungen gefunden, jedoch reichen bereits natürliche Seigerungen, die naturbedingte Schwäche der Korngrenzen und wenige Chromoxide aus, um einen interkristallinen Angriff zu initiieren.

8. Schadensursache / Abhilfemaßnahmen

Die Schadensursache liegt demnach in der Nicht-Beachtung des wohlgemeinten Grundsatzes, scharfe Küchenmesser  nicht  in  der  Spülmaschine  zu  reinigen.  Die  Bissprüfung  des  am  Schadensereignis beteiligten „Malus domestica“ ergab keine unzulässig hohen Härtewerte dieses gesunden Pausensnacks.

Beispiel-Bild eines Apfels.
Bildquelle: publicdomainpictures.net, 01.02.2023, Bildlizenz CC0 1.0 Universal / Public Domain

Als Schadensabhilfemaßnahmen werden empfohlen: Ein gelber Spülschwamm, lauwarmes Wasser sowie ein weniger beherztes Zugreifen unserer Vertriebsabteilung.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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