• 20. April 2012

    7.Teil – Konformitätsbewertung durch die nationale Akkreditierungsstelle

    In den Teilen 3, 4 und 5 wurden Aufgaben von Konformitätsbewertungsstellen (Prüflabore, Inspektionsstellen, Zertifizierungsstellen) beschrieben. Die Frage nach der Rolle der Akkreditierungsstelle im Konformitätsbewertungsprozess lautet: „Wer bewertet die Konformitätsbewerter?“

    Dies ist die Aufgabe der nationalen Akkreditierungsstelle – der Konformitätsbewertungsstelle der Konformitätsbewertungsstellen. Für die nationale Akkreditierungsstelle ist die Norm DIN EN ISO/IEC 17011 relevant.

    Die Bezeichnung „akkreditiertes Prüflabor“ bedeutet, dass dem Labor durch die Akkreditierungsstelle die Kompetenz zugesprochen wurde, Konformitätsbewertungen in Form von Prüfungen vornehmen zu können.

    Die Bezeichnung „zertifiziertes Prüflabor“ bedeutet, dass dem Labor durch eine Zertifizierungs-stelle bestätigt wurde, dass ein Managementsystem installiert ist und wirksam angewendet wird:

    • z.B. ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001
    • oder ein Umweltmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001
    • oder ein Arbeitssicherheitsmanagementsystem nach OHSAS 18001.

    Zertifizierung bedeutet nicht, dass dem Labor die Kompetenz zuerkannt wurde, Konformitätsbewertungen in Form von Prüfungen oder Messungen durchzuführen. Die Tätigkeit der nationalen Akkreditierungsstelle, der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) basiert auf der EU-Verordnung Nr. 765/2008 und dem deutschen Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG). Die DAkkS ist seit dem 01.01.2010 alleinige Akkreditierungsstelle in Deutschland, erfüllt hoheitliche Aufgaben und ist daher vom Bund mit den Aufgaben der nationalen Akkreditierungsstelle beliehen. An die DAkkS und ihre Mitarbeiter werden in besonderem Maße Anforderungen an Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Integrität gestellt. Dies nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und die letzte Instanz in der „Konformitätsbewertungskette“ darstellen.

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  • 17. April 2012

    6. Teil – Konformitätsbewertung durch die akkreditierte Zertifizierungsstelle

    Die Kernkompetenz der akkreditierten Zertifizierungsstelle besteht in der Durchführung von Zertifizierungen. Das sind Konformitätsentscheidungen und -bestätigungen, ob festgelegte Anforderungen bezogen auf Produkte, Prozesse, Systeme oder Personen erfüllt werden. Zertifizierungen durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle sind stets Konformitätsbewertungen durch eine dritte Seite und für verschiedene Bereiche der Werkstoffprüfung relevant:

    • Prüflabore sind mitunter nicht akkreditiert, sondern nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert durch eine Zertifizierungsstelle, die ihrerseits nach DIN EN ISO/IEC 17021 akkreditiert ist.
    • Prüfpersonal für die zerstörungsfreie Prüfung kann z.B. nach DIN EN 473 zertifiziert sein durch eine Zertifizierungsstelle, die ihrerseits nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditiert ist.
    • Produkte oder Prüfverfahren können durch eine Zertifizierungsstelle zertifiziert sein, die nach DIN EN 45011 akkreditiert ist.

    In der Akkreditierungsurkunde der Zertifizierungsstelle sind die Bereiche und Verfahrengelistet, für die der Zertifizierungsstelle durch die Akkreditierungsstelle die Kompetenz bestätigt wurde. Dies ist der Geltungsbereich der Akkreditierung der Zertifizierungsstelle. Die Zertifizierung (z.B. nach DIN EN 45011) folgt dem funktionalen Ansatz der DIN EN ISO/IEC 17000 am weitgehendsten und umfasst die:

    • Ermittlung und Bewertung der Konformität eines Produktes oder Prozesses, wobei die Konformitätsbewertungskriterien eindeutig aus den im Geltungsbereich der Akkreditierung definierten Normen bzw. normativen Dokumenten hervorgehen müssen,
    • Entscheidung über die Konformität, die nicht von den Personen getroffen werden darf, die die Konformität ermittelt bzw. bewertet haben,
    • Konformitätsbestätigung in Form eines Zertifikates,
    • regelmäßige Überwachung der zertifizierten Produkte oder Prozesse.

    Für Konformitätsermittlung nach DIN EN 45011 kann die Zertifizierungsstelle auf verschiedene Untersuchungsmethoden zurückgreifen – z.B. auf Prüfungen (Erstprüfung, Überwachungsprüfung, …), auf Audits (z.B. bei der Begutachtung des Qualitätsmanagementsystems) oder auf die Bewertung von Entwicklungsunterlagen. So wie die Prüfung eine Untersuchungsmethode einer Inspektionsstelle sein kann, so kann die InspektionTeil der Konformitätsermittlung im Rahmen einer Zertifizierung sein. Eine Zertifizierungsstelle kann Tätigkeiten, wie z.B. die Konformitätsermittlung und –bewertung, im Unterauftragvergeben, jedoch ist die Kompetenz des Unterauftragnehmers durch die Zertifizierungsstelle mit geeigneten Methoden zu ermitteln, die Gesamtverantwortung für den Zertifizierungsprozess muss bei der Zertifizierungsstelle bleiben und die Konformitätsentscheidung muss durch die Zertifizierungsstelle selbst mit eigenem fachkundigem Personal getroffen werden. Da die Zertifizierung nach DIN EN 45011 nicht für einen Zeitpunkt, sondern für einen Zeitraum ausgesprochen wird, muss die akkreditierte Zertifizierungsstelle u.a.

    • Verfahren haben für die regelmäßige Überwachung der Konformität,
    • ihre Kunden verpflichten, sie über alle geplanten Veränderungen am Gegenstand der Konformitätsbewertung zu informieren,
    • Festlegungen treffen, inwieweit Veränderungen am Gegenstand der Konformitätsbewertung zusätzliche Untersuchungen notwendig machen,
    • Regelungen haben für die Verwendung von Zertifikaten und Konformitätszeichen.

    Die Anforderungen an die Zertifizierungsstelle nach DIN EN 45011 gehen insofern über die Anforderungen an die akkreditierte Inspektionsstelle hinaus, als dass es bei der akkreditierten Zertifizierungsstelle um noch mehr Unparteilichkeit und Unabhängigkeit und damit um Vertrauen geht. Das äußert sich u.a. in folgenden Anforderungen an die Zertifizierungsstelle:

    • Sie muss frei sein von äußeren Zwängen kommerzieller oder finanzieller Art, und sie müssen ihre finanzielle Stabilität und Leistungsfähigkeit nachweisen.
    • Sie und der Antragsteller für eine Zertifizierung müssen einem formalisierten Antragsverfahren folgen, welches sicherstellt, dass der Antragsteller seine eigenen Rechte und Pflichten sowie die der Zertifizierungsstelle kennt und Klarheit über den Ablauf der Zertifizierung erlangt.
    • Sie und das von ihr (auch im Unterauftrag) eingesetzte Personal dürfen im Zusammenhang mit dem Zertifizierungsgegenstand nicht beraten oder sonstige Tätigkeiten durchführen, die ihre Unabhängigkeit gefährden könnten.
    • Sie muss die Konformitätsbewertung von der Konformitätsentscheidung personell trennen.
    • Sie muss besondere Vorkehrungen für den Schutz von Aufzeichnungen und sonstigen Informationen treffen, um Vertraulichkeit zu gewährleisten.
    • Sie muss eine Aufsicht haben, die u.a. die Einhaltung der grundsätzlichen Regeln und die finanzielle Situation überwacht

    Zusammenfassend liegt der Tätigkeitsschwerpunkt einer akkreditierten Zertifizierungsstelle in der:

    • Ermittlung und Bewertung der Konformität eines Produktes oder Prozesses,
    • Entscheidung über die Konformität durch Personen, die nicht bewertet haben,
    • Ausgabe einer Konformitätsbestätigung in Form eines Zertifikates,
    • regelmäßige Überwachung der zertifizierten Produkte oder Prozesse.

    Die Konformitätsbestätigung der akkreditierten Zertifizierungsstelle gilt nicht nur für den Zeitpunkt der (erstmaligen) Konformitätsermittlung und –bewertung, sondern bei regelmäßiger Überwachung auch für Zeiträume darüber hinaus.

    Schematische Darstellung des Konformitätsbewertungsprozesses einer akkreditierten Zertifizierungsstelle

    Eine typische Fragestellung an eine akkreditierte Zertifizierungsstelle wäre: „Kann eine branchenweit anerkannte Bescheinigung ausgestellt werden, dass Bauteile aus dem Werkstoff W123, die mit dem Verfahren V456 hergestellt werden, stets die Mindestfestigkeit von XXX nach Norm N789 erreichen?“ Der Konformitätsentscheidung gehen dabei Konformitätsermittlungen voraus, die sich aus Prüfungen, Inspektionen oder Audits zusammensetzen können, und die die Analyse von Bauteilen, von Herstellungs- und Prüfprozessen aber auch von Qualitätsmanagementsystemen und Personalqualifikationen zum Inhalt haben können.

    Schematisierung der sich überlagernden Aktivitäten von Prüflabor, Inspektionsstelle und Zertifizierungsstelle (DIN EN 45011) hinsichtlich der Konformitätsermittlung
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  • 17. April 2012

    Was ist eigentlich … ein Edelstahl?

    Was verbinden wir in aller Regel mit dem Begriff Edelstahl? Und wann ist ein Stahl rostfrei und wann ist ein Stahl eigentlich „edel“, also ein Edelstahl?

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  • 13. April 2012

    5.Teil – Konformitätsbewertung durch die akkreditierte Inspektionsstelle

    Die Kernkompetenz der nach DIN EN ISO/IEC 17020 akkreditierten Inspektionsstelle besteht in der Durchführung von Inspektionen – also den Untersuchungen eines Erzeugnisentwurfes, eines Erzeugnisses, einer Dienstleistung, eines Fertigungs- oder Prüfprozesses bzw. einer Anlage und deren Konformitätsbewertung. Diese Konformitätswertung erfolgt für spezifische Anforderungen auf der Basis von Normen oder normativen Dokumenten und für allgemeine Anforderungen auf der Grundlage einer sachverständigen Beurteilung. Die Ergebnisse der Inspektion werden in einem Inspektionsbericht zusammengefasst.

    In der Akkreditierungsurkunde der Inspektionsstelle sind die Verfahren gelistet, für die der Inspektionsstelle durch die Akkreditierungsstelle die Kompetenz bestätigt wurde – das ist der Geltungsbereich der Akkreditierung. Wenn Prozesse (z.B. Prüfprozesse mit zerstörungsfreien Prüfverfahren in automatisierten Anlagen) inspiziert werden, kann sich die Inspektion auf Personen, Einrichtungen oder auch die Methodik erstrecken. Zu den Untersuchungsmethoden, die im Rahmen einer Inspektion angewendet werden, kann die Prüfung ebenso gehören, wie das Audit oder die Berechnung. Die für die Durchführung von Inspektionen verantwortlichen Mitarbeiter einer Inspektionsstelle werden nachfolgend Inspektoren genannt.

    Die Inspektion ist dem Wesen nach eine deutlich komplexere Konformitätsbewertung als die Prüfung und unterscheidet sich von dieser insbesondere auch darin, dass sie Sachverständigentätigkeiten einschließt.

    An die akkreditierte Inspektionsstelle werden umfassende Anforderungen bezüglich technischer Einrichtungen und Qualitätsmanagement gestellt. Die Inspektionsstelle muss über geeignete Einrichtungen und Geräte verfügen, um die Untersuchungen vornehmen zu können, die mit der Inspektion verbunden sind. Unterbeauftragungen sind zwar zulässig, aber es wird in der Norm gefordert, dass die Inspektionsstelle die vertraglich übernommenen Inspektionen möglichst selbst durchführt.

    Ein Schwerpunkt der normativen Forderungen an eine Inspektionsstelle liegt im Bereich Personal, um sicher zu stellen, dass Qualifikation und Erfahrung der Inspektoren geeignet sind, um sachverständige Beurteilungen hinsichtlich der Übereinstimmung mit allgemeinen Anforderungen treffen zu können. Die Fachkompetenz der Inspektoren bezüglich der Inspektionsgegenstände muss daher Herstellungsprozesse, Einsatzbedingungen, mögliche Fehler und Fehlerauswirkungen umfassen. Inspektoren müssen also über „Systemkenntnisse“ verfügen.

    Zentrale Bedeutung für eine akkreditierte Inspektionsstelle und deren Inspektoren haben deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Verschiede „Grade von Unabhängigkeit“ kommen in der Klassifizierung A, B und C der Inspektionsstellen zum Ausdruck:

    • Die Inspektionsstelle Typ C ist direkt an der Herstellung, Konstruktion oder Nutzung der Gegenstände, die sie inspiziert, beteiligt. Für diese Inspektionsstelle ist es ausreichend, dass die Organisation, der sie ggf. angehört, eine angemessene Trennung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit den Inspektionsleistungen gewährleistet.
    • Die Inspektionsstelle Typ B ist Teil einer Organisation, die Gegenstände herstellt, konstruiert, oder nutzt, welche die Inspektionsstelle inspiziert. Diese Inspektionsstelle ist aber organisatorisch eindeutig abgegrenzt und nicht involviert in die Herstellung, Konstruktion, Nutzung der inspizierten Gegenstände. Inspektionsleistungen dürfen von der Inspektionsstelle Typ B nur für die „eigene“ Organisation erbracht werden.
    • Die Inspektionsstelle Typ A ist eine unabhängige und unparteiische Stelle. Weder sie noch ihre Inspektoren sind involviert in die Herstellung, Konstruktion oder Nutzung der Gegenstände, die sie inspiziert. Für die Inspektionsstelle und ihre Mitarbeiter sind grundsätzlich Tätigkeiten ausgeschlossen, die ihre Unabhängigkeit und Integrität gefährden. Die Dienstleistung der Inspektionsstelle dieses Typs muss für alle Interessierte ohne Diskriminierung zugänglich sein.

     

    Zusammenhang zwischen Inspektionsstellen der Typen A, B, C nach DIN EN ISO/IEC 17020 und ersten, zweiten und dritten Seiten nach DIN EN ISO/IEC 17000

    Vergleicht man die Normen DIN EN ISO/IEC 17025 und 17020 miteinander, so wird deutlich, dass die Forderungen an die Inspektionsstelle insofern deutlich über die an das Prüflabor hinausgehen, als dass besondere Ansprüche an Personalkompetenz, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Integrität gestellt werden. Dies ist nicht zuletzt die Konsequenz aus der Komplexität des Inspektion und der Notwendigkeit sachverständiger Beurteilungen in Bezug auf allgemeine Anforderungen. Zusammenfassend liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit einer akkreditierten Inspektionsstelle in der:

    • Untersuchung von Erzeugnissen, Dienstleistungen, Fertigungsprozesses, Anlagen, … auf der Basis von Verfahren, für die die Inspektionsstelle akkreditiert ist,
    • Bewertung der Untersuchungsergebnisse auf ihre Konformität mit spezifischen Anforderungen oder durch sachverständige Beurteilung mit allgemeinen Anforderungen,
    • Entscheidung hinsichtlich der Konformität, wobei es üblicherweise keine Trennung gibt, zwischen den Personen, die bewerten, und denen, die entscheiden,
    • Erstellung eines Inspektionsberichtes, der die Konformitätsaussagen beinhaltet und dessen Konformitätsbestätigung für den konkreten Inspektionsgegenstand und für den Zeitpunkt der Inspektion gilt.

    Eine Übertragung der Aussagen des Inspektionsberichtes auf andere, Erzeugnisse, Anlagen, oder Fertigungsprozesse als die, die durch den Inspektionsgegenstand repräsentiert werden oder auf andere Zeiten („Extrapolation“ in die Zukunft) ist nicht zulässig.

    Schematische Darstellung des Konformitätsbewertungsprozesses einer akkreditierten Inspektionsstelle

    Eine typische Fragestellung an eine akkreditierte Inspektionsstelle wäre: „Ist die Festigkeit dieses Bauteils ausreichend, um unter typischen Betriebsbedingungen zuverlässig zu funktionieren?“ Gegenstand der Inspektion wäre es dann u.a. auch, die Begriffe „typisch“ und „zuverlässig“ zu spezifizieren und in eine sachverständige Beurteilung einzubeziehen.

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  • 27. Februar 2012

    Wie funktioniert eigentlich … Ultraschallprüfung?

    Bei der Ultraschallprüfung wird Schall zur Analyse von Entfernungen, dem Innenleben und den Eigenschaften von Werkstoffen und Bauteilen eingesetzt. Das klingt abstrakt, aber das hat jeder schon im Alltag gemacht: Das Klopfen gegen eine Wand, um dünne Stellen aufzufinden; das Werfen eines Steines in einen Schacht, um die Tiefe zu bestimmen, oder das Zählen der Sekunden zwischen Blitz und Donner, um die Entfernung zum Gewitter zu berechnen – all das ist nichts anderes als der Einsatz von Schall und Schallechos.

    Was aber ist Schall? Alle Stoffe sind aus mehr (Festkörper) oder weniger (Gase oder Flüssigkeiten) dicht gepackten Atomen oder Molekülen zusammengesetzt. Versetzt man diesen einen Impuls, dann „stößt“ jedes Teilchen mit seinen Nachbarn zusammen und übergibt dabei seine Impulsenergie. Dieses Prinzip kann man auch bei den Kugeln eines Billardspiels beobachten. Der Impuls-Effekt breitet sich durch den Stoff aus, und eine Dichteschwankungwandert durch den Körper. Die Teilchen selbst bewegen sich dabei nur um ihre Ruhelage – sie schwingen wieder an ihren Ausgangsort zurück – aber die Energie des Impulses wird durch das ganze Medium weitergeleitet. Eine Schallwelle – also eine periodische Dichteschwankung im Werkstoff – ist entstanden.

    Abb. 1: Ausbreitung einer Schallwelle: Teilchen links wird durch einen Impuls (orange) in Schwingung versetzt, stößt gegen seinen Nachbarn, der den Impuls wieder an seinen Nachbarn weitergibt. Anschließend schwingen die Teilchen in ihre Ausgangslage zurück (grau).

    Über kurz oder lang trifft die Schallwelle auf ein Hindernis – die Oberfläche des Werkstückes oder einen Materialfehler. Die Welle wird dort als Echo zurückgeworfen (auch hier analog zur Billardkugel, die an der Bande zurückgeworfen wird und weiter über den Tisch rollt) und von einem Empfänger aufgenommen. Im menschlichen Körper ist das das Trommelfell, in der Ultraschallprüfung der Sensor des Prüfkopfes.

    Kennt man die Schallgeschwindigkeit, so kann man aus der Dauer der Bewegung des Schalls auf zurückgelegte Entfernungen schließen und z.B. Wand- oder Schichtdicken bestimmen. Hat man eine Referenz (weiß man also, welche Ultraschall-Signale ein fehlerfreies Werkstück liefern sollte) und erhält aber andere Signale, dann kann man dadurch auf Fehler im Bauteil schließen.

    Bleiben wir bei unserer Billardkugel: Beim Rollen über den Tisch wird sie langsamer und bleibt schließlich stehen; Ursachen sind Energieverlust an der Bande und Reibung durch das Tischtuch und die Luft. Das gleiche geschieht mit unserer Schallwelle: Bei Reflektionen an Wänden und Hindernissen verliert sie Energie, während des Weges durch das Werkstück streut der Schall am Gefüge (in zufällige Richtungen verteilt) und wird absorbiert (vom Gefüge „geschluckt“). Zusätzlich breitet sich der Schall immer weiter in alle Richtungen aus, die vorhandene Energie verteilt sich auf immer größere Flächen. Wie auch im Alltag wird mit zunehmender Entfernung der Schall immer schwächer wird, verliert sich der Ultraschall im Werkstück nach einer gewissen Zeit und Strecke.

    Alle Verluste zusammen bilden die Schallimpedanz – den Schallwiderstand. Bei der Ultraschall-Prüfung werden dadurch die Signale bei langem Schallweg oder starker Schallschwächung immer kleiner, und die Auswertung wird komplizierter.

    Abb. 2: Signaldarstellung mit einem Senkrechtprüfkopf. Links: Prüfsituation, Rechts: Bildschirmdarstellung. Sendeimpuls (rechtes Bild, links), Fehlerecho (rechtes Bild, Mitte) und Rückwandecho (rechtes Bild, rechts).

     

    Die Ultraschall-Prüftechnik

    Ultraschall arbeitet mit Frequenzen außerhalb des menschlichen Hörvermögens – üblicherweise 2-4 MHz, also 2-4 Millionen Schwingungen pro Sekunde (zum Vergleich: Menschen nehmen Schwingungen zwischen 16 und 16.000 Hz wahr). Im menschlichen Körper wird das Senden (durch die Stimmbänder) und das Empfangen (durch das Trommelfell) von Schallwellen arbeitsteilig erledigt. Bei der Ultraschallprüfung gibt es Prüfköpfe, die ebenso arbeitsteilig funktionieren, aber auch solche, die sowohl senden, als auch empfangen.

    Realisiert wird dies durch piezoelektrische Kristalle. Legt man an diese einen elektrischen Wechselstrom an, fangen die Kristalle an hochfrequent zu schwingen. Dadurch erzeugt der Prüfkopf Schallwellen, wenn er auf einem Bauteil liegt und angekoppelt wurde. Ankopplung bedeutet, durch ein Koppelmittel (z.B. Wasser, Kleister oder Öl) einen nahtlosen Übergang des Schalls aus dem Prüfkopf in das Werkstück zu ermöglichen. Findet die Schallwelle den Weg zurück zum Kristall, versetzt sie ihn in Schwingung, und dabei erzeugt der Kristall selbst einen elektrischen Strom, der vom Gerät registriert und in ein Messsignal umgewandelt wird. Je stärker dabei der Schall ist, umso stärker die erzeugte Schwingung, und umso stärker das elektrische Signal.

    Der Ultraschall-Prüfkopf

    Der Sensor in der UT-Prüfung ist der Prüfkopf. Nach Anwendungsgebiet können verschieden große Prüfköpfe, Frequenzen und Typen verwendet werden. Für sehr kleine Bauteile werden z.B. häufig sog. Miniatur-Prüfköpfe mit einem ca. 10mm großen Schwingerdurchmesser verwendet. Für sehr präzise Messungen wählt man in der Regel hohe Prüffrequenzen (die zu kleineren Ultraschall-Wellenlängen und damit höherer Genauigkeit führen).

    Die zuvor dargestellte senkrechte Einschallung (Senkrechtprüfkopf – SPK) ist der simpelste Fall; häufig lässt die Geometrie dies aber nicht zu. Für besonders dünne Bauteile oder die Prüfung im Oberflächenbereich werden Sender-Empfänger-Prüfköpfe (SE-PK, getrennte Sende- und Empfangselemente) verwendet, die die Bereiche unmittelbar unter der Bauteiloberfläche prüfen. Macht die Geometrie eine schräge Einschallung nötig, werden Winkelprüfköpfe (WPK) verwendet, z.B. bei der Nahtprüfung an Schweißnähten.

    Abb. 3: Winkelprüfkopf mit Schrägeinschallung für die Rissprüfung an der Gegenfläche (links).
    Blechdickenmessung mit einem Sender-Empfänger-Prüfkopf (rechts).

    Winkelprüfköpfe haben eine weitere Besonderheit: Sie arbeiten mit einer anderen Wellenart als Senkrecht- oder SE-Prüfköpfe. Senkrecht- und SE-Prüfköpfe verwenden hauptsächlich Longitudinalwellen, Winkelköpfe dagegen hauptsächlich Transversalwellen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Ausbreitungsarten von Schallwellen in einem Medium. Longitudinalwellen breiten sich in Schwingungsrichtung aus, kommen in allen Medien vor und sind (im selben Material) schneller als Transversalwellen. Einer Longitudinalwelle entspricht in etwa die Bewegung von Menschen beim Schunkeln. Bei Transversalwellen schwingen die Teilchen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Schallwelle, sie treten nur in Feststoffen auf und sind (im selben Material) langsamer als Longitudinalwellen. Einer Transversalwelle entspricht die Bewegung einer Laola-Welle in einem Fußballstadion.

    Ein Vergleich der Größenordnungen der Schallgeschwindigkeiten:

    • Luft 330 m/s (Longitudinal)
    • Wasser 1480 m/s (Longitudinal)
    • Schmiedestahl 5920 m/s (Longitudinal)
    • Schmiedestahl 3255 m/s (Transversal)

    Abb. 4: Erzeugung einer Longitudinalwelle durch einen Hammerschlag auf die Stirnseite eines Stabes (oben).
    Erzeugung einer Transversalwelle durch einen Hammerschlag auf die Längsseite es Stabes (unten).

     

    Wie sehen Ultraschall-Signale am Prüfgerät aus?

    Die eigentliche Signal-Darstellung am Ultraschall-Prüfgerät ähnelt der eines Oszilloskops. Aus der Position des Signales kann die Entfernung zum Reflektor (Wand, Materialfehler, …) abgeleitet werden, aus Form und Größe (und mit Prüferfahrung) auch die Art des Reflektors (Riss, Lunker, …) In vielen Fällen kann ein erfahrener Ultraschallprüfer einen Flankenbindefehler (fehlende Verschweißung) von einer Pore (Gaseinschluß), einem Lunker (Schwindungsholraum durch Abkühlen von Gußteilen) oder von Dross (Ablagerungen im Guß, die zur Oberfläche aufsteigen) unterscheiden. Die folgende Abbildung zeigt einige mögliche Signalformen und –Arten, die bei der Ultraschallprüfung gefunden werden können.

    Abb. 5: 1. Senkrechteinschallung mit deutlichem Sendeimpuls, Fehlersignal und Rückwandecho,
    2. Schrägeinschallung mit großem Fehlersignal und üblicherweise sind weder Sendeimpuls noch Rückwandecho sichtbar,
    3. Viele Fehlersignale mit geschwächtem Rückwandecho; der Sendeimpuls fehlt auch hier, da Prüfung mit SE-PK,
    4. Ein Lunker im Bauteil absorbiert bzw. streut den Schall. Weder Fehler- noch Rückwandecho sichtbar.

    Eine 100%ige Aussage – der Fehler ist genau dort und ist exakt so groß – ist mit konventionellem Ultraschall (im Gegensatz zu bildgebenden Verfahren wie z.B. VT oder RT) zwar nicht möglich, in der Praxis kann aber zuverlässig auf wenige Zehntelmillimeter genau gemessen werden.

    Was wird mit der Ultraschallprüfung bewertet?

    Wie in allen Verfahren der zerstörungsfreien Prüfung wird auch bei der Ultraschallprüfung anhand von Referenzen geprüft – eine Anzeige wird in Bezug auf bereits bekannte Justiergrößen bewertet. Für eine Wanddickenmessung wird daher im Vorfeld an bekannten Dicken des gleichen Materials justiert, die ähnliche Maße aufweisen wie das Prüfobjekt; für eine Schweißnahtprüfung werden Vergleichskörper verwendet, deren Material, Geometrie und Referenzfehler dem Prüfobjekt ähneln.

    Wird auf Fehler geprüft, kennt das Verfahren zwei wesentliche Bewertungsmaßstäbe – DAC und AVG. Bei der DAC-Methode (Distance Amplitude Correction – Korrektur der Amplitude in Abhängigkeit zur Entfernung) wird eine Vergleichskurve am Gerät aufgenommen, die die Ultraschallechos eines Referenzfehlers für verschiedene Schallwege darstellt – z.B. für Schallwege von 20mm, 40mm, 60mm, 80mm und 100mm. Anschließend wird der Prüfgegenstand untersucht, und die dort gefundenen Signale werden unter Beachtung der jeweiligen Reflektortiefe (Entfernung) mit den Referenzechos verglichen.

    Die AVG-Methode (Abstand, Verstärkung, Größe) nimmt ebenfalls eine Kurve auf – allerdings rein rechnerisch anhand von physikalischen Gesetzen, die die Veränderung von Signalen in Bezug auf Entfernung und Größe beschreiben. Der Prüfer hat hier weniger zu tun – moderne Geräte machen hier fast die „ganze Arbeit“. Während aber DAC für fast alle Materialien, Prüfköpfe und Geometrien funktioniert, findet man die Anwendung von AVG häufig nur bei „normalen“ Prüfköpfen, Werkstücken aus Stahl und einfachen Geometrien.

    Abb. 6: DAC-Methode: Mit zunehmender Tiefe werden die Schallwege (Entfernungen zum Reflektor) immer größer und die Signale immer kleiner. Die orange Linie ist die DAC-Kurve und wird auf dem Bildschirm abgebildet.
    Alle Folgeanzeigen werden danach bewertet, ob sie über oder unter dieser Kurve liegen.

     

    Fazit / Ausblick

    Die UT-Prüfung ist ein flexibles Werkzeug der zerstörenden Werkstoffprüfung. Von der Rissprüfung über Schichtdickenmessungen bis hin zu Wanddickenmessungen können viele Prüfaufgaben realisiert werden. Für die Lösung verschiedener Prüfaufgaben kann ein einziges Gerät und ein Satz jeweils passender Prüfköpfe eingesetzt werden. Ein entsprechend ausgerüsteter Prüfer kann schnell auf verschiedene Situationen und Anforderungen reagieren. Durch Verfahren wie die Gruppenstrahler-Prüfung oder TOFD nehmen die Genauigkeit und die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten der Ultraschallprüfung weiter zu.

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  • 30. Januar 2012

    Zur Erinnerung an John Bardeen

    Zur Erinnerung an John Bardeen

    Heute jährt sich der 20. Todestag des Physikers John Bardeen. Da könnte man fragen: „John wer … ?“

    Newton und Einstein sind vielen Menschen ein Begriff, doch Bardeen, der ohne Zweifel zu den Allergrößen seines Faches gehört, ist zu Unrecht eher unbekannt. Dabei hat er in mehrfacher Hinsicht Überragendes geleistet.

    Bardeen war Festkörperphysiker und einer der Erfinder des Transistors. Für diese überragende Leistung in der Experimentalphysik erhielt er zusammen mit seinen Kollegen 1956 den Nobelpreis für Physik. Die Erfindung des Transistors schuf die Grundlage für das Computerzeitalter und bestimmt heute wie kaum eine andere wissenschaftliche Leistung unseren Arbeits- und Lebensalltag.

    Bardeen leistete darüber hinaus Außergewöhnliches auf dem Gebiet der theoretischen Physik. Für die quantentheoretische Erklärung der Supraleitung erhielt er zusammen mit (anderen) Kollegen 1972 ein zweites mal den Physiknobelpreis. Die sogenannte BCS-Theorie (BCS steht für die Anfangsbuchstaben der Namen der drei Entdecker) beschreibt das kollektive Verhalten von Elektronen in Festkörpern und gehört zu den quantenphysikalischen Meisterleistungen der Physik.

    Was macht die Leistungen von Bardeen so bemerkenswert?
    Er ist bis heute der einzige Mensch, dem zweimal der Physiknobelpreis verliehen wurde. Er hat Großes sowohl auf theoretischem als auch auf praktischem Gebiet geleistet. Seine Leistungen ragen selbst unter den nobelpreiswürdigen Arbeiten noch ein stückweit heraus. Die Auswirkungen seiner wissenschaftlichen Forschung sind wie ganz wenige andere Entdeckungen und Erfindungen heute unmittelbar in unserem Leben zu spüren. Was wären wir ohne Computer, Smartphones und Netzwerke …?

    Dennoch ist Bardeen außerhalb seiner Zunft weitgehend unbekannt. Wie viele Follower hätte Bardeen beispielsweise heute auf Twitter? Lady Gaga hat über 18 Millionen …

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  • 27. Januar 2012

    Fachliteratur zum Thema Werkstofftechnik und Materialprüfung

    Jeder der sich für eine Aus-oder Weiterbildung im Bereich Werkstofftechnik oder Materialprüfung entschieden hat, steht früher oder später vor der Frage: Welche geeignete Fachliteratur gibt es? Dabei ist natürlich zwischen der Fachliteratur für Berufsstarter, Technikern sowie Ingenieuren und Wissenschaftler zu unterscheiden. Ich konzentriere mich hier auf die Berufseinsteiger und diejenigen, die sich für eine Weiterbildung interessieren. Für diese Gruppe habe ich eine kleine Liste von Buchtiteln zusammengestellt, die man problemlos im gutsortierten Online-Fachhandel oder beim Buchhändler seines Vertrauens bekommt.

    Ich fange direkt mal mit dem teuersten Buch an, denn es ist zugleich ein sehr fachspezifisches.
    Mit ca. 90 Euro ist das Buch Zerstörungsfreie Werkstück- und Werkstoffprüfung von Prof. Dr. Siegfried Steeb und seinen 11 Co-Autoren zwar nicht grade günstig, aber thematisch und fachlich ein wahres Füllhorn an Wissen. Auf über 550 Seiten werden die einzelnen Verfahren der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung praxisgerecht dargestellt und verständlich erläutert – bis hin zu der Kombination diverser Verfahren und dem Einsatz bei der extrem anspruchsvollen Flugzeugüberwachung. Dieses Buch kann man ruhigen Gewissens empfehlen auch wenn mancher Abschnitt etwas holprig daher kommt und alles andere als eine Bettlektüre ist. Die ISBN-13 Nummer: 9783816928522

    Fachkunde Metall – Ursprünglich für Auszubildende konzipiert, ist es heute eher ein Buch, das sich an angehende Techniker und Meister richtet. Ausreichende Kenntnisse der Metall-Grundbegriffe werden beim Lesen zwingend vorausgesetzt. Sind diese vorhanden, sind auch die zahlreichen Grafiken und Abbildungen sehr gut verständlich.
    Insgesamt ist das Buch sehr „industriemechaniker-lastig“, deckt aber auch noch genügend andere interessante Metall-Gebiete ab und ist dabei immer gut und verständlich erklärend. Es ist ein Fachbuch für Praktiker die nach mehr streben. Auch hier gilt das Konzept des Europa Verlages: In regelmäßigen Abständen bekommt das Buch ein „update“. Auch nach Jahren lohnt sich also immer wieder ein Neukauf.
    ISBN-13: 978-3808511565, ab 36 Euro zugegeben nicht günstig, aber eine gute Investition.

    Nach der Lektüre dieses Buches ist man garantiert kein „Dummie“ mehr – klar strukturiert und anschaulich geschrieben. Empfehlenswert ist das Buch insbesondere für Schnell- und Quereinsteiger, weil es viele Grundlagen, die man sich im „normalen Berufsleben“ kaum zu fragen traut, ausführlich erklärt.
    Nach diesem Prinzip werden auch die Formeln hergeleitet und dürften so einprägsam im Gedächtnis bleiben. Das Buch ist sehr gut geeignet für Auszubildende und als Vorbereitung für Weiterbildungen zu empfehlen. Ich bin mir sehr sicher, das viele Techniker und Ingenieure dieses Buch im Schrank oder Regal stehen haben, ohne es „offen zuzugeben“. Ist ein echter Geheimtipp, wenn bloß der Titel nicht so abschreckend wäre …
    Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung für Dummies Autor: Rainer Schwab / ISBN-13: 978-3527706365 und Preis ab ca. 25 Euro.

    Wärmebehandlung des Stahls – Das Buch überzeugt mich durch seine zahlreichen Abbildungen, die das komplexe Thema Wärmebehandlung erst so richtig begreifbar machen. Obwohl nur in schwarz/weiß (ich kenne nur die Auflage 2006)– und nicht so bunt wie manch anderes Buch, sind es gerade diese Grafiken dieses Buches, die sich in meinem Gedächtnis festgesetzt haben. Hinzu kommt ein klarer und sachlicher und eher nüchterner Sprachstil.
    Wer schnell lernen will, wird mit diesem Buch sicher bestens zurecht kommen. Das belegt auch die Tatsache, dass dieses Buch sehr oft an weiterführenden Berufsschulen in vielen Seminaren und Weiterbildungen eingesetzt wird. Daher: Bestnoten für dieses Buch.
    ISBN-13:978-3808513101 (5.Auflage)

    Dieses Buch ist zugegebenermaßen eher ein Nachschlagebuch, als denn eine spannende Lektüre – aber als solches eine sichere Bank. In der älteren Ausgabe bestand fast noch die Hälfte des Buches aus dem Tabellenteil, in wie weit sich das in der neuen Ausgabe geändert hat, kann ich gar nicht sagen?!?
    Das große Plus des Buches sind die farbigen Abbildungen – die es besonders einfach machen, „Neulingen“ etwas nahezubringen. Diese Empfehlung ist mit 30 Euro nicht gerade ein Schnäppchen, sollte aber in keinem gutem Bücherregal einer Werkstatt fehlen, besonders wenn man Auszubildende hat.
    Die ISBN-13 Nummer: 978-3808515457 der 2011 = 5. Ausgabe von Werkstofftechnik für Metallbauberufe

    Werkstofftechnik: Werkstoffe – Eigenschaften – Prüfung – Anwendung(Autor: Seidel, Hahn) Dieses Buch ist unbestritten einer der Klassiker der Szene und das meiner Meinung nach auch zu Recht. Mit den lernzielorientierten Tests, die jedem Kapitel angefügt sind, gibt es eine ideale (Selbst-)Kontrolle.
    Das Buch kann man ohne schlechtes Gewissen allen empfehlen – für den interessierten Auszubildenden, aber auch für den angehenden Techniker. Selbst Meister und Ingenieure schwören auf dieses Buch. Es ist wirklich verständlich geschrieben und beantwortet so gut wie alle typischen Prüfungsfragen, mit denen man zwangsläufig irgendwann konfrontiert ist.
    Der Preis ist mit knapp 25 Euro durchaus noch im Rahmen und für alle erschwinglich. ISBN-13: 978-3446407893

    Aufgabensammlung Werkstoffkunde (Autoren: Weißbach, Dahms) – Kein Fachbuch im „normalen“ Sinn, sondern ein reines Übungsbuch für diejenigen, die sich gern selber quälen oder vor Prüfungen einfach auf „Nummer sicher“ gehen wollen. Das Buch richtet sich allerdings hauptsächlich an Studenten und angehende Techniker.
    Es hat schon ein ganz sehr gehobenes Niveau, und für dieses Buch braucht man den unbedingten Willen, sich selbst prüfen und korrigieren zu wollen. Das Buch ist nicht ohne ein anderes Lehr- oder Übungsbuch anwendbar, denn es füllt keine Wissenslücke. Unter diesen Gesichtspunkten ist es „ganz gut“.
    Die ISBN-13: 978-3834805324

    Industrielle Fertigung. Fertigungsverfahren (Autor: Dietmar Schmid) Wie der Titel schon andeutet, ein Buch das sich besonders auf den Entstehungsprozess von Bauteilen bezieht und aus dieser Perspektive die Fertigungsverfahren beschreibt und begründet. Es ist Interessant und sehr spannend geschrieben, beleuchtet aber nur ein Teilaspekt der meisten allgemeinen Metallberufe.
    Das Buch ist daher auch für die Ausbildung nur bedingt tauglich. Es ist als Ergänzung sicherlich gut geeignet und eine optimale Alternative zu den gängigen Lehr- und Fachbüchern. Das Buch behandelt in der Breite die Themengebiete: Herstellung von metallischen Werkstücken, Herstellung von Werkstücken aus Kunststoffen, Keramik und Glas, Techniken der Oberflächenmodifikation und Fügen. Zusammenfassend ist es sicherlich sehr gut und eine „gehobene Pflichtlektüre“ für Materialprüfer und Werkstofftechniker.
    Die aktuelle ISBN-13: 978-3808553527

    Werkstofftechnik Maschinenbau: Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen (Autoren: Drube, Kammer, Läpple, Wittke) Manche schwören auf dieses Buch – denn sie kommen mit seiner Strukturierung und dem Aufbau sehr gut zurecht. Es ist nicht nur etwas für Studenten an der FH / Uni, sondern auch für angehende Werkstoffprüfer eine interessante und wichtige Informationsquelle. Manchmal kommt es etwas trocken und theoretisch daher, ist aber dafür sehr ausführlich und umfassend. Ideal ist es auch zum Selbststudium und zur Prüfungsvorbereitung (auch für Ausbilder & Dozenten) geeignet.
    Ich empfehle, die Buchausgabe mit CD zu wählen, da so die beste Kontrolle für zu Hause garantiert ist.
    Dieses Buch ist mein Geheimtipp Nummer 2 und in jedem Fall sein Geld wert, weil es für fast alle Metallberufe etwas bietet. ISBN-13: 978-3808552636

    Grundlagen der Werkstofftechnik (Autoren: Riehle, Simmchen) Mit fast 60 Euro eines der teuren Bücher in der Liste. Eine der Stärken des Buches ist, das sehr genau und präzise auf die Werkstoffprüfungsverfahren eingegangen wird. Das ist für Materialprüfer und Werkstofftechniker sicher sehr interessant. Alle anderen Themen kommen zwar nicht zu kurz, stehen aber nicht so sehr im Fokus. Daher ist hier das Preis–Leistungs-Verhältnis zu bedenken.
    Das Buch lohnt sich sicher für Interessierte mit dem Weiter- oder Ausbildungsschwerpunkt Werkstofftechnik. Für alle anderen stellt es eine gute Ergänzung dar, vor allem im Studium.
    Die ISBN-13: 978-3527309535

    Was man hin und wieder mal braucht und dann meist nie zur Hand hat, ist ein gutes Wörterbuch für Techniker – in diesem Fall für „Metaller“. Und damit sind bei diesem Buch nicht nur die Ingenieure des Fachs gemeint.
    Das „Plus“ des Buches: Neben den Begriffen sind auch die gängigen Redewendungen in Lautschrift dargestellt. Damit fühlt man sich bei der Anwendung sicher und ist auch bei Telefonanrufen gewappnet und vorbereitet. Eine Umrechungstabelle für englische und amerikanische Maße rundet den Inhalt des Buches ab.
    Für 13 Euro kein „Fehlkauf“ für alle, die per E-Mail oder Telefon auch mal Fragen aus dem Ausland beantworten müssen. ISBN-13: 978-3142225043

    Vorbereiten auf Ausbildung und Beruf Ein Buch für all jene, die noch ganz am Anfang stehen oder erst noch austesten, ob ihnen das Berufsfeld überhaupt zusagt.
    Ich gebe dieses Buch immer jungen Menschen in die Hand, die „irgendwas mit Metall machen wollen“ und sich noch in der Berufsfindungsphase befinden.
    Wer bei der Lektüre leuchtende Augen bekommt, ist schon mal einen Schritt weiter in Richtung Werkstofftechnik.
    ISBN-13: 978-3142905006

    Ein „Klassiker“ und anerkannte Basis des Berufsfeldes: Der Stahlschlüssel.
    Hier gilt für die (Hand-) Taschenbuchausgabe: „Klein, aber OHO!“, was die Informationsfülle angeht. Auch wenn die zahlreichen Tabellen am Anfang etwas abschreckend wirken, so gibt dieses handliche Taschenbuch sehr übersichtlich und umfangreich Auskunft über die Zusammensetzung der meistgebrauchten Stahlsorten. Es werden im Buch außerdem diverse alte und neue Normen gegenübergestellt, so dass man ausführlich über Zusammensetzung, Eigenschaften und Wärmebehandlung informiert wird.
    Den Stahlschlüssel gibt es als Taschenbuch in unterschiedlichen Ausführungen (gebunden, broschiert etc…), und er kostet meist zwischen 12-15 Euro. (ISBN-13 dieser Ausgabe: 978-3922599258)

    Ebenfalls ein Klassiker und bei den Rezensionen stets hoch gelobt: Das Tabellenbuch Metall (mit Formelsammlung / Broschiert / Autor: Ullrich Fischer). Ähnlich dem Stahlschlüssel ist es vollgepackt mit Formeln, erweitert um Kurzerklärungen und dient somit dem schnellen Auffinden von Infos die man zum arbeiten braucht. Somit ideal für Auszubildende und all jene die in beruflichen Praxis schnell Informationen recherchieren müssen.
    Was ich daran gut finde: In diesem Buch wird in den jeweiligen Ausgaben auf die neusten Verfahren und Änderungen in den Metallberufen eingegangen. Beim Neukauf ist man damit immer gut am Puls der Zeit. Das Buch ist nach meiner Meinung immer sein Geld wert.
    ISBN-13: 978-3808517253 / Preis: ab 25 Euro in der Grundversion. Das Buch gibt es in verschiedenen Varianten – als XXL Version mit umgestellten Formeln, als Version mit Aufgaben und Lösungen, jeweils mit und ohne CD. Diese Varianten haben aber je nach „Ausstattung“ einen entsprechend höheren Preis.

    Abschließend und sicherheitshalber gebe ich noch den folgenden Hinweis: Die Liste spiegelt mein subjektives Empfinden wieder und beruht auf persönlichen Eindrücken.
    Und noch ein kleiner Tipp am Rande: Bei einigen Online-Händlern kann man auch gebrauchte Ausgaben eines Buchs erwerben. Das kann die Kosten je nach Buch erheblich senken. Bei einigen Onlinehändlern kann man auch einen Blick ins Buch werfen und sich so vorab schon mal einen Eindruck verschaffen.
    Ich freue mich aber über jede Art von weiteren Hinweisen und Ergänzungen der Liste, sowie auch über konstruktive Kritik zu den vorgestellten Büchern.
    Gern können auch interessante Magazine und Fachzeitschriften vorgestellt werden.

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  • 20. Januar 2012

    Wie funktioniert eigentlich … magnetische Hysterese? (Teil 2 – Mathematik)

    Im ersten Teil des Blogbeitrages haben wir die magnetische Hysterese ferromagnetischer Werkstoffe als das Ergebnis des Zusammenspiels eines äußeren Magnetfeldes H und der magnetischen Flussdichte B, die die Vorgänge im Inneren des Ferromagneten beschreibt, kennengelernt.

    Wir haben im Teil 1 gesehen, dass der Begriff Hysterese (griechisch hysteros: Verzögerung, Verzug) darauf zurückzuführen ist, dass die Flussdichte B der äußeren Feldstärke H zeitlich verzögert folgt. Das passiert, weil die Weißschen Bezirke im Ferromagneten, deren Änderung die Flussdichte beschreibt, dem äußeren Magnetfeld nur dann folgen können, wenn ihnen genügend Energie zur Verfügung steht, um innere Widerstände zu überwinden.

     

    Abb. 1: Neukurve (NK) und Hysteresekurve (HK) eines Ferromagneten

    Nachdem wir die Hysteresekurve im ersten Teil physikalisch erklärt haben, wollen wir nun außerdem noch die Mathematik zu Hilfe nehmen, um die Eigenschaften von Hysteresekurven genauer zu analysieren. Alle Bilder in diesem Blogbeitrag wurden übrigens mit Hilfe einer Excel-Tabelle erstellt. Wir starten mit Abb. 1, die uns die Neukurve und die Hysteresekurve eines Ferromagneten zeigt. Ein gutes mathematisches Modell sollte uns folgendes liefern und erklären:

    • Form und Verlauf der Neukurve
    • Form und Verlauf der Hysteresekurve
    • Hysteresekurven unterschiedlicher Breite für Weich- und Hartmagnete

    Für die Erzeugung einer Hysteresekurve benötigen wir ein magnetisches Feld H, das seine Größe und Richtung ändert. Das können wir durch eine wechselstromdurchflossene Spule erzeugen – das Feld H hat dann einen sinusförmigen Verlauf. Wir nehmen zunächst einmal an, dass die Flussdichte B den „Kommandos“ der Feldstärke H umgehend (also ohne Verzug) folgt und daher einen sehr ähnlichen Verlauf hat. Mathematisch bedeutet das:

    H = Ho · sin(t) und B = Bo · sin(t)

     

    Abb. 2: sinusförmiger Verlauf von H und B ohne Phasenunterschied (ohne zeitliche Verzögerung)

    In Abb. 2 ist links der Zeitverlauf von H und B dargestellt. Da für H und B der Einfachheit halber eine identische Skalierung angewendet wurde, liegen beide Sinuskurven aufeinander. Rechts ist die Flussdichte B über der Feldstärke H aufgetragen und wir finden einen linearen Zusammenhang: Erhöht sich H, erhöht sich auch B. Ist H maximal, ist es auch B. Nimmt H ab, nimmt auch B ab, … Wir „laufen“ also einfach auf einer geneigten Linie hoch und runter (schwarzer Pfeil). Das hat nichts mit Hysterese zu tun.

    Jetzt bauen wir die zeitliche Verzögerung zwischen magnetischer Flussdichte B dem Magnetfeld H in unsere Formeln ein, indem wir in die Sinusfunktion für das B-Feld eine Phasenverschiebung (Zeitverschiebung) φ einfügen:

    H = Ho · sin(t) und B = Bo · sin(t + φ )

    Die Phasenverschiebung φ ist die „Zusatzzeit“, die die Flussdichte B wegen der Hysterese benötigt. Die Abb. 3 und 4 zeigen den Zusammenhang von H und B für Phasenverschiebungen von 1/20 Periode bzw. 1/10 Periode. Bezogen auf eine 50Hz-Wechselgröße (Periodendauer 20 ms) bedeuten diese Werte eine zeitliche Verzögerung der „Reaktion“ der Flussdichte B gegenüber den „Kommandos“ der Feldstärke H von 1 ms bzw. 2 ms.

    Abb. 3: sinusförmiger Verlauf von H und B mit einer Phasenverschiebung φ von 1/20 Periode

    Abb. 3 und 4 liefern uns jetzt in der Tat Hysteresekurven- also Kurven, die eine Fläche umschließen. Allerdings sehen diese ellipsenförmig aus und nicht „viereckig“ – das „ändern“ wir weiter unten noch … Vergleichen wir Abb. 3 und 4 mit Abb. 1, so erkennen wir zwei Sachverhalte wieder:

    • Wir haben in allen drei Fällen Hysteresekurven, auch wenn sich die Kurvenformen unterscheiden. Die Entstehung der magnetischen Hysterese hat in der Tat damit zu tun, dass die magnetische Flussdichte B dem äußeren Magnetfeld H zeitlich verzögert folgt (Phasenverschiebung φ ).
    • Je größer die zeitliche Verzögerung zwischen B und H, desto breiter werden offensichtlich die Hysteresekurven. Weich- bzw. hartmagnetisches Verhalten lässt sich also berechnen.

     


    Abb. 4: sinusförmiger Verlauf von H und B mit einer Phasenverschiebung φ von 1/10 Periode

    Wollen wir die Neukurve und das Sättigungsverhalten erklären, so müssen wir uns von dem Gedanken trennen, dass die magnetische Flussdichte B ebenso wie die Feldstärke H einen sinusförmigen Verlauf hat. Wir nehmen für B einen eher „kastenförmigen“ Verlauf an (Abb. 5) – diese Annahme wird einige Absätze weiter unten begründet. Mathematisch machen wir das, indem wir 5 Sinus-Funktionen verschiedener Ordnung (t, 3t, 5t, …) und unterschiedlicher Amplituden (B1, B3, B5, …) kombinieren. Auf eine Phasenverschiebung φ können wir zunächst verzichten.

    Man kann je nach Art und Anzahl der Sinusfunktionen beliebige Formen „erzeugen“: kastenförmige, dreieckige, kreisförmige, … Warum wurden hier gerade fünf Sinusfunktionen verwendet? Weil die Fünf ausreichend waren, um den dargestellten (und recht gut gelungenen) „Kasten“ zu erzeugen – vier hätten dafür nicht gereicht.
    Betrachten wir die Darstellung von B über H (Abb. 5, rechts) – und dort speziell den oberen rechten Teil, dann finden wir in guter Näherung unsere Neukurve (Abb. 5: NK) inklusive des Sättigungsverhaltens wieder.


    Abb. 5: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) ohne Phasenunterschied φ

    Zur Erklärung von Neukurve und Sättigung haben wir keinen Zeitverzug zwischen H und B benötigt. Soll unser mathematisches Modell nun Hysteresekurven erzeugen, die den „wirklichen“ Hysteresekurven nahekommen, so müssen wir die zeitliche Verzögerung zwischen H und B und den „kastenförmigen“ Verlauf von B miteinander kombinieren:

    B = B1 · sin(t + φ) + B3 · sin(3t + φ) + B5 · sin(5t + φ) + B7 · sin(7t + φ) + B9 · sin(9t+φ)

    Die Phasenverschiebung φ beschreibt wieder die zeitliche Verzögerung zwischen Feldstärke H und Flussdichte B. Abb. 6 und 7 zeigen den Zusammenhang von H und B wieder für Phasenverschiebungen von 1/20 bzw. 1/10 Periode.

    An dieser Stelle wollen wir klären und begründen, warum die Flussdichte B einen derart „kastenförmigen“ Verlauf hat. Weil sich die Weißschen Bezirke und damit auch die Flussdichte B zunächst nicht ändern, solange nicht genügend Energie für die Drehung der Weißschen Bezirke vorhanden ist. Das entspricht dem horizontalen Verlauf von B in den Abb. 6 und 7. Wenn genügend Energie zur Verfügung steht, dann geschieht die Änderung sehr schnell. Das entspricht dem nahezu vertikalen Verlauf von B in den Abb. 6 und 7. Zusammen ergibt das den „kastenförmigen“ Verlauf.


    Abb. 6: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) mit einem Phasenunterschied φ von 1/20 Periode

    Je größer die inneren Widerstände im Werkstoff, desto mehr Energie wird für die Drehung der Weißschen Bezirke benötigt. Um diese Energie zu sammeln, braucht es „Extrazeit“, die wir mit der Phasenverschiebung φ beschreiben. Eine große Phasenverschiebung produziert eine breite Hysteresekurve und beschreibt damit mathematisch die großen Energien, die für die Drehung benötigt werden.
    Wir haben nun „nahezu perfekte“ Hysteresekurven konstruiert. Unsere Zutaten waren:

    • sinusförmiger zeitlicher Verlauf der magnetischen Feldstärke H
    • „kastenförmiger“ Verlauf der magnetischen Flussdichte B
    • Phasenverschiebung φ zwischen H und B

    Für die Konstruktion der Hysteresekurven in den Abb. 6 und 7 haben wir Sinusfunktionen verschiedener Ordnung miteinander kombiniert. Ist dies nur eine mathematische Spielerei oder hat das auch werkstofftechnischen „Nährwert“?
    Dazu betrachten wir die Hysteresekurve in Abb. 8. Die ist durch dieselbe Kombination von Sinusfunktionen entstanden wie die in Abb. 7, aber mit einer Ausnahme:
    Die Amplitude B9 der letzten Sinusfunktion wurde ein klein wenig verändert – und die Auswirkungen sind in Abb. 8 deutlich sichtbar.


    Abb. 7: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) mit einem Phasenunterschied von 1/10 Periode

    Wie nutzen Werkstoffwissenschaftler so etwas?
    Nun, sie messen die Hysteresekurve eines „Gut-Werkstoffes“, zerlegen diese (oder genauer die Flussdichte B, die sich in der Hysteresekurve verbirgt) in ihre einzelnen Sinusfunktionen und ordnen bestimmten Werkstoffeigenschaften bestimmte Sinusfunktionen zu. Werden nun andere Proben dieses Werkstoffes untersucht und finden sich Veränderung in den Hysteresekurven (z.B. eine Änderung der Amplitude B9), dann kann man diese Änderung einer ganz bestimmten Sinusfunktion zuordnen und so Rückschlüsse auf die konkrete Werkstoffeigenschaft ziehen, die sich hinter dieser Sinusfunktion „verbirgt“.


    Abb. 8: Verlauf von H und B mit Phasenunterschied von 1/10 Periode und „Störung“ von B

    Das ganze Verfahren nennt man Oberwellenanalyse. Warum Oberwellenanalyse? Dazu betrachten wir noch einmal die Formel:

    B = B1 · sin(t) + B3 · sin(3t) + B5 · sin(5t) + B7 · sin(7t) + B9 · sin(9t)

    Die erste Sinusfunktion (sin(t)) nennt man Grundschwingung (oder auch Grundwelle) und alle anderen Sinusfunktionen (sin(3t), sin(5t), …) werden Oberwellen genannt. Diese werden der Oberwellenanalyse unterzogen. Mittels Oberwellenanalyse von Hysteresekurven lassen sich also die Materialeigenschaften ferromagnetische Werkstoffe prüfen.

    Die Oberwellenanalyse ist übrigens etwas, was jeder Mensch praktisch jeden Tag durchführt. Wir hören sofort, ob ein Ton harmonisch klingt oder eher dissonant (also unharmonisch). Dissonanzen werden u.a. durch „fehlerhafte“ Oberwellen verursacht. Unser Gehirn analysiert dazu die Oberwellen akustischer Töne. Was fehlerfrei ist, das „klingt gut“. Was fehlerhaft ist, nehmen wir als unangenehmen Klang wahr.

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  • 16. Januar 2012

    Wie funktioniert eigentlich … magnetische Hysterese? (Teil 1 – Physik)

    Magnetische Hysterese ist ein Phänomen, das bei ferromagnetischen Materialien auftritt, die sich in einem veränderlichen Magnetfeld befinden. Aus Sicht der Werkstofftechnik und Werkstoffprüfung interessiert uns die Hysterese von Ferromagneten z.B. bei der Herstellung von Dauermagneten oder bei der Magnetpulver- bzw. Wirbelstromprüfung. Zu den ferromagnetischen Werkstoffen gehören u.a. Kobalt und seine Legierungen, Nickel und seine Legierungen sowie Eisen und seine Legierungen (z.B. Stähle).

    Im ersten Teil dieses Blogbeitrages werden wir die magnetische Hysterese ausschließlich auf der Grundlage physikalischer Überlegungen diskutieren. Im zweiten Teil des Blogbeitrages werden wir vor allem die Mathematik zur Hilfe nehmen, um die Hysterese und die Hysteresekurven noch besser zu verstehen.

    Für die physikalische und noch mehr für die mathematische Erklärung der Hysterese ist es hilfreich, zunächst einmal zu fragen, was denn das Wort Hysterese bedeutet. Hysterese kommt vom griechischen Wort hysteros und bedeutet „Verzögerung“ oder „Verzug“. Für das Verständnis der Hysterese ist es sehr hilfreich, diese einfache Übersetzung im Hinterkopf zu behalten …

    Beschreibung der magnetischen Hysterese

    Ein unmagnetischer Ferromagnet ist ein Material, das das Potential hat, ein Dauermagnet zu werden, aber noch keiner ist. Diesen Ferromagneten platzieren wir in einem Magnetfeld – z.B. indem wir ihn in eine stromdurchflossene Spule legen. Das äußere Magnetfeld H erzeugt im Werkstoff ein zweites magnetisches Feld, die magnetische Flussdichte B. H ist gewissermaßen die äußere „Kommandogröße“ und B die Reaktion des Werkstoffs auf dieses Kommando. Die magnetische Hysterese beschreibt den Zusammenhang zwischen den beiden Größen magnetische Feldstärke und magnetische Flussdichte.

    Abb. 1: Neukurve und Hysteresekurve

    Wollen wir eine Hysteresekurve experimentell ermitteln, so platzieren wir einen unmagnetischen Ferromagneten in einer Spule, die zunächst stromlos ist. Das bedeutet, H und B sind Null, und wir befinden uns in Abb. 1 im Koordinatenursprung. Erhöhen wir nun die Stärke des äußeren Feldes H (indem wir die Stromstärke des Spulenstromes erhöhen), so ändert sich B zunächst sehr wenig (dies wird in der Abb. 1 nicht deutlich), steigt dann aber sehr schnell an und erreicht ab einer gewissen Feldstärke +HS eine Sättigung. Das bedeutet, B ändert sich nun kaum noch, auch wenn H weiter erhöht wird. Diesen Kurvenverlauf nennen wir Neukurve (graue Punkte, grauer Pfeil).Die Neukurve tritt nur bei zunächst unmagnetischen Ferromagneten auf.

    Reduzieren wir H wieder, so laufen wir nicht etwa auf der Neukurve zurück, sondern folgen der eigentlichen Hysteresekurve (schwarze Punkte, schwarze Pfeile), und wir messen für H = 0 eine von Null verschiedene Flussdichte +BR, das ist die Remanenz. Remanenz kommt vom lateinischen remanere und bedeutet „das, was übrig bleibt“. BR ist also die Flussdichte, die im Ferromagneten übrig bleibt, wenn das äußere Magnetfeld H ausgeschaltet ist. Jeder Dauermagnet „lebt“ von seiner Remanenz. Einen Ferromagneten zu magnetisieren und ihn zum Dauermagneten zu machen bedeutet, ihm seine Remanenz BR zu „verleihen“.

    Jetzt ändern wir die Richtung des äußeren Feldes H (z.B. indem wir den Stromfluss in der Spule umkehren), erhöhen H wieder und beobachten B. Bei einer bestimmten Feldstärke -HC, der Koerzitivfeldstärke, messen wir B = 0. Das lateinische Wort coercere bedeutet „in die Schranken verweisen“. HC ist also die Feldstärke, die nötig ist, um B in seine „Schranken zu verweisen“ (B = 0 zu erzwingen). Erhöhen wir H weiter, so erreichen wir einen weiteren Sättigungspunkt (-HS). Durch Umkehrung der Richtung von H und Änderung der Größe von H kann man nun auf der Hysteresekurve zwischen den Punkten +HS, +BR,-HC, -HS,-BR,+HC,+HS umlaufen (schwarze Pfeile).

    Abb. 2: Hysteresekurven eines Weichmagneten (links) und eines Hartmagneten (rechts)

    Ferromagnetische Werkstoffe liefern unterschiedliche Hysteresekurven (Abb. 2). Die Hysteresekurven von Weichmagneten sind schmal und durch vergleichsweise kleine Remanenzen sowie Koerzitivfeldstärken gekennzeichnet. Die Hysteresekurven von Hartmagneten sind breit und durch vergleichsweise große Remanenzen sowie Koerzitivfeldstärken gekennzeichnet.

    Bei der Analyse der magnetischen Hysterese stellen sich einige Fragen, die nachfolgend beantwortet werden sollen:
    • Warum wird zunächst die Neukurve durchlaufen und später nur noch die Hysteresekurve?
    • Wie ist das Sättigungsverhalten zu erklären?
    • Wieso umschließt die Hysteresekurve eine Fläche und welche physikalische Bedeutung hat diese Fläche?
    • Warum haben Ferromagnete einmal schmale Hysteresekurven (kleine umschlossene Flächen) und ein anderes Mal breite Hysteresekurven (große umschlossene Flächen)?

    Physikalische Grundlagen der magnetischen Hysterese

    Ferromagnetische Werkstoffe zeichnen sich durch ein kollektives Verhalten der Atome aus – die magnetischen Momente vieler tausender Atome sind in dieselbe Richtung orientiert und bilden so einen winzigen Dauermagneten. Diese Bereiche gleicher Orientierung der magnetischen Momente nennen wir Weißsche Bezirke. Die Weißschen Bezirke eines unmagnetischen Ferromagneten sind in alle beliebigen Richtungen orientiert und heben sich dadurch in ihrer magnetischen Wirkung auf. Der Werkstoff ist folglich zwar ferromagnetisch, aber kein Dauermagnet. Die magnetische Flussdichte B beschreibt etwas vereinfacht gesprochen das Verhalten der Weißschen Bezirke unter dem Einfluss eines äußeren Magnetfeldes H.

    In Abb. 3 ist schematisch ein Werkstoff mit vier Weißschen Bezirken dargestellt. Die sechs Teilbilder der Abb. 3 werden nachfolgend erläutert:
    1. Anfangs sind die magnetischen Momente in alle Richtungen orientiert und heben sich dadurch in ihrer magnetischen Wirkung gegenseitig auf – der Ferromagnet ist nach außen unmagnetisch.
    2. Nun wird ein äußeres Magnetfeld H angelegt und die magnetischen Momente beginnen sich nach dem äußeren Feld auszurichten – ebenso, wie es ein Kompass tun würde.
    3. Je stärker das äußere Magnetfeld H wird, desto mehr werden die magnetischen Momente in seine Richtung gezwungen. Das kennzeichnet den Verlauf der Neukurve.
    4. Schließlich sind alle magnetischen Momente mehr oder weniger perfekt in Richtung des Feldes H ausgerichtet. Eine weitere Verstärkung des Feldes H ändert nichts mehr an dieser Ausrichtung – das kennzeichnet die Sättigung.
    5. Drehen wir das Feld um, so folgen auch die Weißschen Bezirke. Es wird klar, dass eine einfache Umkehrung des Feldes H niemals dazu führen kann, dass wir wieder einen Zustand wie in Abb. 3, Teilbild 1erhalten (vier unterschiedliche Richtungen der magnetischen Momente in einem äußeren Feld mit einer festen Orientierung, das geht nicht). Es ist also schlichtweg nicht möglich, dass bei Feldumkehr auf der Neukurve zurückgelaufen wird.
    6. Ist das Feld nur stark genug, so erreichen wir Sättigung mit umgekehrter Feldorientierung

    Abb. 3: Ausrichtung der Weißschen Bezirke in einem äußeren Magnetfeld H

    Allerdings folgen die Weißschen Bezirke und damit auch die magnetische Flussdichte B dem äußeren Feld H nicht sofort, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung. Das liegt daran, dass sich die magnetischen Momente im Werkstoff nur dann drehen (und zum Teil auch verschieben) können, wenn es ihnen gelingt, innere Widerstände (z.B. Kristallbaufehler) zu überwinden. Um diese inneren Widerstände zu überwinden, müssen sie zunächst Energie „sammeln“ – das braucht Zeit und erklärt die zeitliche Verzögerung (Hysterese) zwischen H und B. Je mehr und je größere innere Widerstände vorhanden sind, desto mehr Energie muss gesammelt werden und desto größer ist die zeitliche Verzögerung zwischen H und B.

    Findet sich die Energiemenge, die für das Drehen der Weißschen Bezirke notwendig ist, in unserer Hysteresekurve wieder? Ja, das ist nichts anderes als die Fläche, die durch die Hysteresekurve umschlossen wird. Die breiten Hysteresekurven von Hartmagneten mit einer relativ großen umschlossenen Fläche können wir also wie folgt erklären:
    • Warum heißt ein Hartmagnet „Hartmagnet“? Weil er hart ist.
    • Welche Stähle sind hart? Z.B. solche mit einem hohen Kohlenstoffgehalt.
    • Was macht der Kohlenstoff (ob als einzelnes Atom oder in Form von Karbiden) noch, außer den Werkstoff hart machen? Er behindert die magnetischen Momente am Umorientieren.

    Hartmagnete haben also deshalb eine breite Hysteresekurve, weil dieselben Prozesse, die den Werkstoff hart machen, die Drehung der magnetischen Momente behindern. Das macht es erforderlich, zunächst Energie für den Drehprozess zu sammeln, was seine Zeit braucht (Verzögerung). Die Fläche, die die Hysteresekurve umschließt, ist ein Maß für die Energie, die für diese Umorientierung benötigt wird. Weichmagnete (z.B. Stähle mit wenig Kohlenstoff) setzen der Umorientierung einen geringen Widerstand entgegen, folglich haben sie eine schmale Hysteresekurve.

    Die Breite der Hysteresekurve und die Größe der Verzögerung zwischen Feldstärke H und Flussdichte B haben also etwas damit zu tun, wie viel Energie zur Verfügung gestellt werden muss, um die inneren Widerstände zu überwinden. Ist genügend Energie vorhanden, dann erfolgen die Drehungen der Weißschen Bezirke und damit die Änderung der magnetischen Flussdichte B sehr schnell. Diese schnelle Änderung ist auch der Grund für die etwas „viereckige“ Form der Hysteresekurve – das wird im zweiten Teil dieses Blogbeitrages genauer betrachtet.

    Der ganze Prozess des Drehens der magnetischen Momente der Weißschen Bezirke ist vergleichbar mit dem Verhalten eines Gewichtes, das man auf einen Teppich legt, ein Gummiseil daran befestigt und dann am Seil zieht. Zunächst passiert … nichts – selbst wenn das Gummiseil bereits gespannt ist. Im Gummiseil muss zunächst genug Energie gespeichert werden, um die Haftreibung zwischen Teppich und Gewicht zu überwinden. Das Gewicht folgt also dem „Kommando“ des Gummiseiles mit zeitlicher Verzögerung. Je rauer der Teppich, desto mehr Energie muss gesammelt werden, und desto größer ist folglich die zeitliche Verzögerung. Ist genügend Energie gesammelt, beginnt das Gewicht sich zu bewegen – aber nicht langsam und allmählich, sondern schnell.

    Werkstoffe mit schmalen Hysteresekurven – also Weichmagnete – finden dort technische Anwendung, wo beim Ummagnetisieren möglichst wenig Energie durch das Drehen (bzw. Verschieben) der Weißschen Bezirke verloren gehen soll. Ein Beispiel ist der Kern eines Transformators, der Primär- und Sekundärspule miteinander „verbindet“.

    Werkstoffe mit breiten Hysteresekurven – also Hartmagnete – finden dort technische Anwendung, wo der Werkstoff sich möglichst schwer ummagnetisieren lassen soll. Ein Beispiel ist der Dauermagnet – der soll seiner Ummagnetisierung/Entmagnetisierung einen großen Widerstand entgegen setzen (er soll ja ein Dauermagnet bleiben).

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  • 28. Dezember 2011

    Was sind eigentlich … Korngrenzen?

    Im Alltag begegnen uns Korngrenzen überraschend oft: Jeder hat sicherlich schon einmal ein verzinktes Treppengeländer oder einen verzinkten Laternenmast gesehen. Was kann man dabei beobachten? Verzinkte Stahloberflächen zeichnen sich durch besondere, flächige Strukturen aus, die je nach Lichteinfall und Beobachtungswinkel hell oder dunkel mit eher unregelmäßigen Rändern erscheinen. Diese Flächen, in denen kein weiterer Kontrast, Helligkeits- oder Farbunterschied zu erkennen ist, nennt der Werkstofftechniker Korn, bzw wenn es um die Abgrenung geht, von den Korngrenzen.

    Bild: Korngrenzen an einem Treppengeländer aus Metall

    Korngrenzen an einem Treppengeländer aus Metall

    Die Flächen haben natürlich im Werkstoff auch eine räumliche Ausdehnung, somit sind Körner selbst räumliche Gebilde mit einem bestimmten Volumen, die beim Blick auf die Werkstoffoberfläche dann als Fläche, mit eben entsprechenden Grenzen = „Korngrenzen“ erscheinen.

    Körner gibt es fast in jedem metallischen Werkstoff, meist sieht man sie jedoch nicht. Sie können durch spezielle Oberflächenbehandlungen wie zum Beispiel Anätzen mit Säuren im Mikroskop oder sogar mit dem bloßen Auge (wie im Fall des verzinkten Stahls) sichtbar gemacht werden. Halten wir fest: Körner in einem Metall sind räumliche Gebilde, die bei Betrachtung mit Licht zunächst homogen erscheinen. Die Begrenzungsflächen der Körner, also die Fläche zwischen zwei Körnern, heißen Korngrenzen. An der Oberfläche unserer verzinkten Laterne erscheinen die Korngrenzen dann als Begrenzungslinien zwischen den flächigen Körnern.

    Die meisten metallischen Werkstoffe enthalten Korngrenzen. Um zu verstehen was Korngrenzen sind, wenden wir uns der Frage zu: wo kommen die Körner eigentlich her?
    Ausgangspunkt ist die Erstarrung von Metallen, also die Bildung eines Festkörpers aus der Metallschmelze. Dazu betrachten wir die einzelnen Metallatome in der Schmelze. Wie in Flüssigkeiten können sich diese Atome relativ frei bewegen, je höher die Temperatur desto größer die Beweglichkeit der Atome. Nun kühlen wir die Schmelze ab, die Bewegung der Atome nimmt ebenfalls ab, die Atome rücken näher zusammen.

    Bei Erreichen der Erstarrungstemperatur kommen sich einzelne Atome bereits so nahe, dass die chemischen Bindungskräfte wirken können, um einen festen Zusammenhalt zwischen den Atomen einzustellen. Die Atome ordnen sich in einem Kristallgitter auf fest vorgegebenen Plätzen an. Dabei ist das entstehende Kristallgitter für jedes Metall charakteristisch. Die kleinste Baueinheit eines solchen Kristallgitters heißt Elementarzelle und kann beliebig im Raum angeordnet, man sagt auch „orientiert“, sein.

    In der abkühlenden Schmelze bilden sich am Erstarrungspunkt an verschiedenen Stellen in der Schmelze Ansammlungen von Elementarzellen, sogenannte feste Keime. Diese Keime haben die räumliche Orientierung der Elementarzellen aus denen sie aufgebaut sind, d.h. ein Keim besteht aus mehreren Elementarzellen mit exakt gleicher Orientierung. Dadurch, dass sich die Keime an unterschiedlichen Stellen in der Schmelze bilden, wird auch ihre Orientierung sehr wahrscheinlich unterschiedlich sein. Im Laufe der weiteren Erstarrung lagern sich immer mehr Atome aus der Schmelze an den Keimen an, dabei müssen sich die hinzukommenden Atome an die räumliche Orientierung der Keime halten.

    Am Ende der Erstarrung haben alle Atome aus der Schmelze einen Platz im Festkörper gefunden. Die Keime sind so groß geworden, dass sie das gesamte Volumen ausfüllen. Dort, wo Keime mit unterschiedlicher Orientierung zusammenstoßen, bildet sich eine Korngrenze – die Keime sind dann die bereits erwähnten Körner. Somit entstehen Korngrenzen eigentlich immer bei der Erstarrung metallischer Werkstoffe. Sie trennen stets Bereiche im Kristall mit unterschiedlicher Orientierung.

    Warum interessieren uns Korngrenzen überhaupt? 
    Zunächst einmal gehören Korngrenzen zu den Gitterfehlern, die in einem metallischen Werkstoff fast immer anzutreffen sind. Die meisten technologisch wichtigen Eigenschaften eines metallischen Werkstoffs sind durch das Vorhandensein von Gitterfehlern begründet. Korngrenzen haben nun großen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften: Je mehr Korngrenzen vorhanden sind, desto mehr Körner gibt es im Metall, die Größe der einzelnen Körner ist in diesem Fall gering. In der Regel findet man in solchen feinkörnigen Werkstoffen auch eher regelmäßig geformte Körner. Der Werkstoff zeichnet sich durch gute Festigkeit in Kombination mit guter Zähigkeit aus, zwei Eigenschaften, die für gewöhnlich eher gegenläufig wirken. Man ist daher häufig bestrebt, Werkstoffe mit kleinen Körnern, also mit vielen Korngrenzen, herzustellen. Wie kann man das schaffen? Wir haben festgestellt, dass Körner und Korngrenzen während der Erstarrung entstehen. Man muss nun viele Keime gleichzeitig in der Schmelze erzeugen und wachsen lassen, dann erhält man am Ende der Erstarrung auch viele Körner. Das kann man z.B. erreichen, indem man die Schmelze impft, also gezielt Keimstellen, sogenannte Keimbildner, einbringt, an denen Keime entstehen können.

    Aber Korngrenzen beeinflussen die Eigenschaften des Werkstoffs nicht bloß durch ihre Anwesenheit. Eine herausragende Eigenschaft von Korngrenzen ist ihre Fähigkeit, sich unter bestimmten Bedingungen zu bewegen. Was heißt nun unter bestimmten Bedingungen? Zur Bewegung von Korngrenzen braucht man im Wesentlichen zwei Dinge: ausreichend hohe Temperaturen (je höher die Temperatur, desto größer die Beweglichkeit der Korngrenzen) sowie eine treibende Kraft, die die Korngrenzenbewegung aktiviert. Das kann zum Beispiel ein Ungleichgewicht im Werkstoff, hervorgerufen durch eine Verformung, sein. Oder aber die Tendenz gekrümmter Korngrenzen, sich zu begradigen. Wenn sich Korngrenzen bewegen, verändern sie damit die Struktur des Werkstoffs und auch dessen Eigenschaften.

    Aus diesem Grund ist man daran interessiert herauszufinden, wie sich Korngrenzen bewegen und wie man diese Bewegung nutzen kann, um bestimmte Werkstoffeigenschaften zu erhalten. So bestimmt die Bewegung von Korngrenzen ganz maßgeblich das Ergebnis von vielen Wärmebehandlungsverfahren – beispielsweise das Normalisieren, die Rekristallisation und das Grobkornglühen.

    Weiterführende Informationen: Den Korngrenzen Beitrag auf Wikipedia

    Falls Sie sich für das Thema Korngrenzen interessieren und gern eine Weiterbildung / Qualifizierung beziehungsweise eine Fortbildung / Mitarbeiterschulung im Bereich Werkstofftechnik / Metallographie machen möchten, helfen Ihnen die Ansprechpartner des WS TrainingCenters gern weiter oder Sie schauen einfach kurz auf unseren Kurs- und Seminarseiten vorbei.

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